«Früher lackierte ich Autos, heute trage ich Uniform»

Silvio Gerber ist Quereinsteiger: Der 28-Jährige hat seinen Job in der Autogarage gegen eine Polizeiuniform eingetauscht. Diesen Wechsel hat er bewusst gesucht und seine Berufung als Polizist bei der SBB Transportpolizei gefunden. Wir haben Silvio auf Patrouille in Zürich begleitet.

Ein lauter Pfiff hallt durch die Querhalle am Zürcher Hauptbahnhof: Silvio Gerber pfeift im wahrsten Sinne des Wortes drei Jugendliche zurück. Die machten sich bis vor wenigen Augenblicken einen Heidenspass daraus, zu dritt auf einem E-Scooter zwischen eiligen Berufspendlerinnen, Freizeitreisenden und deren Gepäck herumzukurven. «Das ist gefährlich – und sowieso verboten», sagt Silvio. «Ich "säckle" aber nicht jedem E-Trotti nach, sonst meinen die Leute, es sei etwas Schlimmes passiert.» Wichtig sei es, in möglichst jeder Situation mit Augenmass zu handeln. «Wir greifen ein, wo es nötig oder sinnvoll ist.» Darum heute der Pfiff. Er hat funktioniert.

Über Silvio Gerber

«Ich bin Silvio Gerber, 28, und seit bald zwei Jahren Polizist bei der SBB Transportpolizei. Vorher lackierte ich Autos. Das war auch ein guter Job, aber eher eintönig, was mich auf die Dauer nicht glücklich machte. Die Idee, zur Polizei zu gehen, hatte ich schon seit der RS. Wie fast alle Polizistinnen und Polizisten im Land habe ich die Ausbildung an der interkantonalen Polizeischule Hitzkirch gemacht. Ich bin nun mit Leib und Seele Polizist bei der Transportpolizei. Der Umgang in unserem Korps ist sehr familiär. Und meine offene Art half sicher auch, dass ich diese Chance bekommen habe.»

Auf Patrouille im Hauptbahnhof Zürich

Wir gehen in den unterirdischen Teil des Hauptbahnhofs, besteigen die S15 Richtung Zürich Stadelhofen. An diesem späten Freitagnachmittag sitzen die Masken bei vielen gut, aber nicht bei allen. «Wichtig ist auch da, den Kopf beisammenzuhaben, die Leute zu beobachten, und dann zu entscheiden.» Tatsächlich ist im Stehbereich eines Wagens eine Gruppe junger Erwachsener, die Maske unter dem Kinn, aber das Bier in der Hand. Das kurzzeitige Konsumieren ist erlaubt. Silvio und sein Patrouillenkollege gehen deshalb weiter. Im nächsten Wagen ziehen zwei, drei Reisende rasch die Maske hoch, sobald sie die Patrouille erblicken. «Sichtbarkeit ist enorm wichtig», sagt Silvio in bestimmtem Ton und mit entschlossenem Blick. «Die Leute sollen uns sehen, nur schon das verbessert das Sicherheitsgefühl vieler». Wir fahren im Stadelhofen ein und steigen aus. Abgesehen vom Pendlerverkehr scheint es im und um den Bahnhof ruhig zu sein.

«Das ist nicht immer so. Hier am Stadelhofen hatte ich meine bisher heikelste Situation. Letzten Sommer. Es war ein Handgemenge, eine Keilerei. Manchmal ist es erschreckend, welche Respektlosigkeit sich gewisse Leute auch gegenüber der Polizei erlauben, meist männliche Jugendliche. Wir waren zu zweit, konnten einen Verdächtigen festhalten und hatten die Situation eigentlich gut im Griff. Dann kam aber hinterrücks ein Kollege des Verdächtigen und rannte uns über den Haufen. Das war unangenehm, aber gehört manchmal zum Job. Wichtig ist, das Erlebte mit anderen zu teilen, zu besprechen, aufzuarbeiten. Nach jedem Einsatz machen wir ein Debriefing und fragen uns: Wie geht es uns? Was können wir besser machen? Reflexion ist sehr wichtig, dafür ist Raum bei der Transportpolizei, was ich sehr schätze und wichtig finde.»

«In meinem Job verbringe ich nur so viel Zeit wie nötig im Büro am Computer.»
Silvio Gerber, Polizist bei der SBB Transportpolizei

Silvio erzählt mir, dass er es besonders schätze, als Polizist bei der Transportpolizei viel unterwegs, fast immer unter Menschen zu sein, und das erst noch mit recht angenehmen Arbeitszeiten und Schichtlängen. «In meinem Job verbringe ich nur so viel Zeit wie nötig im Büro am Computer. Ich will, wir wollen und müssen sichtbar sein, draussen, im Einsatz für Reisende und alle, die die Bahnhöfe nutzen.» Die Zweierpatrouille ist gut sichtbar, gleich vor dem Bahnhofgebäude haben sich die beiden aufgestellt, beobachten die Szenerie. Um nur schon Augenblicke später einen orangefarbenen Range-Rover wegzuschicken. «Der Fahrer wusste wohl nicht, dass es diese Parkplätze hier schon eine Weile nicht mehr gibt», so Silvio leicht grinsend, zack, geht sein Blick gleich weiter zu einer wartenden Frau – mit Zigarette im Mundwinkel. «Transportpolizei, Grüezi. Sie, hier ist Rauchverbot!» Und schon ist die Zigi ausgemacht. Wir fahren zurück an den Hauptbahnhof.

Sicherheit und Ordnung ist das gemeinsame Ziel

«Die SBB Transportpolizei ist eine gute Arbeitgeberin: Jede und jeder kann sein, wie er oder sie ist und die eigenen Stärken einbringen.»
Silvio Gerber, Polizist bei der SBB Transportpolizei

«Bei der SBB Transportpolizei haben wir im Korps eine gewisse Diversität: Wir sind ganz unterschiedliche Charaktere, sind verschieden alt, haben nicht alle die gleiche Einstellung zum Leben. Aber wir haben alle das gleiche Ziel: Sicherheit und Ordnung an den Bahnhöfen und in den Zügen. Dieses gemeinsame Ziel macht uns zu einem starken Team. Ich würde sogar noch weiter gehen: Nicht trotz Unterschieden, sondern dank Unterschieden ist die Transportpolizei auch ein guter Arbeitgeber. Denn letztlich kann jede und jeder sein, wie er oder sie ist und die eigenen Stärken einbringen. Es wird niemand in ein Schema hineindrückt. Sowieso: Die Ausbildung allein macht dich noch nicht zum Polizisten. Andere Aspekte sind auch entscheidend, wie die persönlichen Erfahrungen, wie man aufgewachsen ist. Und letztlich auch, wie du dich gibst, ein Polizist ist immer Mensch, halt in Polizeiuniform. Für mich ist immer das allerwichtigste, im entscheidenden Moment das richtige Fingerspitzengefühl zu haben.»

Wir patrouillieren nun dem Gleis 18 entlang, dem äussersten Gleis auf der Seite Richtung Kreis 5. Diesmal geht es nicht darum Präsenz zu markieren. Silvio und sein Kollege kennen die Hot Spots rund um den Zürcher Hauptbahnhof. «Dort vorne, bei diesem etwas versteckten Bänkli, wird regelmässig gekifft, vielleicht auch mal gedealt. Heute rieche ich aber nichts», sagt Silvio mit einem leichten Lächeln. Auch da gehe es ihm nicht darum, päpstlicher als der Papst zu sein, sondern dass sich letztlich Reisende und Passantinnen nicht gestört fühlen. «Auch drüben bei Gleis 3, Richtung Gessnerallee schauen wir regelmässig vorbei, dort fallen ab und zu alkoholisierte Personen auf.» Aber auch dort ist heute friedlich. Generell ist an diesem Freitag (noch) nicht viel los. Die Nacht steht ja noch bevor. Uns kommen Kollegen von der Transportpolizei entgegen. Sie sind nicht allein.

«Bei der Transportpolizei haben wir auch Hunde. Es gibt Schäfer als Schutzhunde und Labradore, unter anderem spezialisiert aufs Aufspüren von Sprengstoff. Hunde sind echt tolle und sehr intelligente Tiere, ich bin mit Hunden aufgewachsen. Ich spreche immer wieder mit unseren Diensthundeführern, sie haben ihren Hund immer dabei, er ist ein fixer Partner. Selbst Diensthundeführer bei der Transportpolizei zu werden? Ja, das ist sicher etwas, was ich mir in ferner Zukunft vorstellen könnte. Im Moment wäre es aber noch viel zu früh. Ich habe sonst noch viel zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Aber es ist auch sehr gut zu wissen, dass ich mich innerhalb der Transportpolizei weiterentwickeln kann und ich nicht auf Jahrzehnte hinaus immer die genau gleichen Aufgaben machen werde.»

Silvios Schicht neigt sich dem Ende entgegen. Den Hauptbahnhof überlässt er nun seinen Kollegen und fährt zu seiner Freundin. «Sie kenne ich übrigens aus der Polizeiausbildung in Hitzkirch», lacht Silvio. «Das war eine super Zeit auf dem Campus. Nicht nur diese Beziehung, sondern auch viele Freundschaften quer durch verschiedene Polizeikorps sind entstanden.» Vor dem Feierabend kann ich es mir nicht verkneifen, doch noch nach der Bedeutung eines auffälligen Tattoos auf Silvios muskulösem Oberarm zu fragen. «Das ist eine Art Lebensmotto für mich. ‘Why do we fall, warum fallen wir um?’». Ich: «Ja, warum?» Silvio: «Damit wir lernen können uns immer wieder selbst aufzurichten.»

SBB Transportpolizei: Sicherheit im Öffentlichen Verkehr

Über 190 Polizistinnen und Polizisten sorgen schweizweit in Arealen des Öffentlichen Verkehrs wie Bahnhöfen oder Transportmitteln für Sicherheit und Ordnung. Auch an Grossanlässen, bei welchen die SBB involviert ist, oder bei betrieblichen Ausfällen gewähren sie die Sicherheit. Im täglichen Präsenz- und Interventionsdienst stehen sie in direktem Kundenkontakt.