Toni Häne nimmt Stellung zur Fernverkehrskonzession

In den letzten Wochen hat die SBB unter der Leitung des Bundesamts für Verkehr (BAV) mit den zwei Bahnen BLS und SOB über eine Weiterentwicklung des Fernverkehrs in der Schweiz verhandelt.

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Dabei hat die SBB einen Vorschlag zur Erneuerung der Fernverkehrskonzession in Kooperation mit BLS und SOB eingebracht: Diese «Mehrbahnenlösung» würde die Gesamtsystemkosten – und somit die Belastung für Bund und Kantone – nochmals weiter reduzieren. Die SOB unterstützt diese partnerschaftliche Lösung. Die BLS hält jedoch an ihrem Zielbild mit eigener Konzession fest. Die SBB bereitet nun zuhanden des BAV ein eigenes Gesuch für die Fernverkehrskonzession vor. Sie bleibt mit der SOB bezüglich Kooperation im Gespräch. Toni Häne, Leiter Verkehr SBB Personenverkehr mit seiner Einschätzung.

Toni Häne, stimmt es, dass BLS und SOB der SBB Fernverkehrslinien abjagen wollen?

Die Linien im Fernverkehr (FV) «gehören» nicht der SBB. Also kann man uns die Linien auch nicht «abjagen». Jedes Unternehmen mit Sitz in der Schweiz kann ein Gesuch für eine Personenbeförderungskonzession einreichen. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) entscheidet, wem es die Konzession gibt. Das BAV kann sowohl eine einzige Konzession für alle Fernverkehrslinien erteilen oder aber mehrere Konzessionen für Einzellinien vergeben.

Fakt ist aber, dass die Verhandlungen zwischen dem BAV, der BLS, der SOB und der SBB gestern gescheitert sind.

Ja. Die Verhandlungen über diesen Lösungsvorschlag haben aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen der BLS zu keinem Ergebnis geführt. Die SBB bedauert dies. Sie hat in vielen Besprechungen betont, alle Varianten zu prüfen. Sie verfolgt nun zwei Wege: Einerseits bereitet sie zuhanden des BAV ein eigenes Gesuch für die Fernverkehrskonzession vor. Andererseits bleibt sie mit der SOB bezüglich Kooperationen im Gespräch.

Die SBB betreibt heute alle Fernverkehrslinien. Warum?

Rund ein Drittel der Fernverkehrslinien werfen Gewinne ab, ein Drittel sind ergebnisneutral und ein Drittel sind nur mit Verlusten zu betreiben. Heute sind rentable und unrentable Fernverkehrslinien in einem Paket – also in einer Gesamtkonzession – vergeben. Mit den Gewinnen aus den einen Linien kann man die Verluste aus andern Linien auffangen. So wird niemand zusätzlich zur Kasse gebeten. Bei einer Zerstückelung der Konzession hingegen würde dieses System leichtfertig aufgegeben. Letztlich würden damit alle verlieren.

Link zur Medienmitteilung der SBB.

Die BLS behauptete in der Presse, dass sie mit ihrem Konzept die Kundenbedürfnisse besser erfüllen und kostengünstiger fahren kann…

…das sehe ich ganz anders. Bei einer «Mehrkonzessionenlösung» muss der Kunde mit Komforteinbussen und Angebotsverschlechterungen rechnen. Denn: Die SBB wird der BLS kein Rollmaterial abgeben. Und mit ihrem jetzigen Rollmaterial ist die BLS gar nicht in der Lage, die angestrebten Fernverkehrslinien zu betreiben. Darüber hinaus würde das Konzept der BLS für eine eigene Fernverkehrskonzession gemäss Einschätzung der SBB die Gesamtsystemkosten um 20 bis 30 Millionen Franken pro Jahr erhöhen. Es müsste zusätzliches Rollmaterial beschafft und der Zugverkehr neu geplant werden: Dienstpläne, Einsatz von Zügen, Abstell- und Dienstlokale, Unterhaltsstandorte, etc. Auch müssten Mitarbeitende den Arbeitgeber und die Arbeitsbedingungen wechseln.

Dann ist es Ihre Absicht, dass die SBB auch zukünftig alle Fernverkehrslinien betreibt?

Auf jeden Fall. Das SBB Konzept hat Vorteile bezüglich Stabilität, Qualität und Verfügbarkeit, Effizienz – und vor allem auch bezüglich Kundennutzen. Darum strebt die SBB eine netzweite Fernverkehrskonzession an. Die SBB wird ein entsprechendes Gesuch in den nächsten Wochen einreichen. Die Fernverkehrsnetzkonzession ist ein seit Jahrzehnten bewährtes System. Sie ist ein Eckpfeiler der Erfolgsgeschichte des öffentlichen Verkehrs und trägt zur Verbindung der Schweiz und ihrer Landesteile bei. Dieses Schweizer Erfolgsmodell wollen wir unbedingt beibehalten. Zum Wohle der Kundinnen und Kunden, von Bund und Kantonen.