Léman Express: Zulassungen für Fahrzeuge erlangt

Der Léman Express ist dem Startschuss einen Schritt nähergekommen. Alle Fahrzeuge haben die Zulassung erhalten. Bis zum 15. Dezember verbleiben aber noch zahlreiche Herausforderungen. Und: Die Zeit drängt. Standortbestimmung mit den Teamleitern Inbetriebnahme Infrastruktur und Personenverkehr.

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Der Léman Express, die neue grenzüberquerende S-Bahn im Grossraum Genf, wird am Sonntag, 15. Dezember 2019 in Betrieb genommen. Alle Züge, die auf dem Netz verkehren werden (Flirt, Régiolis und Regio-Dosto für die RE) haben jüngst ihre Zulassung erlangt. Standortbestimmung mit Daniel Leuba, Leiter der OMEX (Organisation für die Betriebseinführung Léman Express), und Philippe Serrano, Leiter OVMEL (Organisation Personenverkehr für die Betriebseinführung Léman).

Daniel Leuba, Leiter der OMEX

Die Züge Flirt und Régiolis haben kürzlich die Zulassung erlangt. Was bedeutet dieser Schritt für euch?

Daniel Leuba: Das ist nicht der Abschluss, sondern die logische Folge von allem, was wir in den letzten Jahren erarbeitet haben. Es bedeutet aber vor allem, dass jetzt die Schulung der französischen Lokführerinnen und Lokführer beginnen und dass das Rollmaterial fortan im kommerziellen Verkehr beidseitig der Grenze eingesetzt werden kann. Ein zentrales Element also. Aber es kommt sehr spät. Wir hätten die Zulassung der Flirts spätestens am 31. Juli 2019 erhalten sollen.

Philippe Serrano: Das ist ein wichtiges Etappenziel, aber wir sind im Rückstand und die Zeit drängt. Es gilt zu bedenken, dass wir jetzt die Schulung auf den verschiedenen Fahrzeugen abschliessen und zugleich die Tagesproduktion aufrechterhalten müssen. Aber ich möchte schon auch betonen, dass die Zulassung von Rollmaterial für den dynamischen Grenzverkehr (Sicherungsanlagen und Fahrstrom) eine Premiere darstellt. Eine Weltpremiere sogar.

Philippe Serrano, Leiter OVMEL

Wo stehen wir mit der Inbetriebnahme? Welche Herausforderungen bestehen noch?

Philippe Serrano: Zu allererst muss die Schulung der Lokführer beider Länder abgeschlossen werden; das sind rund 270 Kolleginnen und Kollegen. Dann verbleibt noch eine ganze Reihe von Tests, die für die Inbetriebnahme erforderlich sind. Dazu gehören beispielsweise die elektronische Verkaufsplattform, die Alarmtests, die Einrichtung der Echtzeitinformation in den Zügen, das Einfahren (Leerfahrten) und die zwei Umlauf-Generalproben für den Léman Express im November. Auch die Teams der operativen Steuerung von SBB und SNCF müssen intensiv trainieren, um den Léman Express sinnvoll zu lenken. Das sind die einzigen Gelegenheiten vor der Inbetriebnahme, um die ganze Maschinerie mal laufen zu lassen.

Daniel Leuba: Tatsächlich ist die nächste Herausforderung die Schulung der 270 Lokführerinnen und Lokführer: 110 bei der SNCF, 160 bei der SBB. Insgesamt müssen über 3900 SBB Mitarbeitende der unterschiedlichen Berufsgruppen geschult werden. Bislang sind die Schulungen zu rund 42 Prozent durchgeführt. Der grösste Teil erfolgt im Oktober und November. Die Einsatzbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist enorm. Die Schulungen umfassen einen Grundstock sowie äusserst präzise Lehrinhalte zu den unterschiedlichen Technologien beidseitig der Grenze. Wir arbeiten Hand in Hand mit unseren französischen Partnern, so dass die Protokolle identisch sind und die Landesgrenze belanglos wird. Als zweiter zentraler Punkt müssen wir dafür sorgen, dass das Bahnsystem funktioniert. Das beginnt mit dem Feintuning der Flirt-Züge. Sie müssen sich automatisch auf zwei Sicherheitssysteme und zwei Bahnstromsysteme einstellen. Gegenwärtig sind die Flirts noch nicht bereit und entsprechen nicht unseren Erwartungen. Die Herstellerfirma Stadler ist aktiv daran, die Verfügbarkeit und die Lage ständig zu verbessern.

Was ändert sich für die Mitarbeitenden? Welche Herausforderungen sind nach der Inbetriebnahme zu erwarten?

Daniel Leuba: Die eigentliche Herausforderung stellt das Qualitätsniveau einer S-Bahn im Viertelstundentakt dar. Bei Problemen muss unverzüglich reagiert werden: Die sofortige Reaktion ist erforderlich, um die Stabilität zu garantieren. Deshalb legen wir so grosses Gewicht auf die Schulung. Das ist nicht wie auf einer Strecke mit einem Zug pro Stunde! Entscheidungen müssen sofort gefällt und schnell umgesetzt werden.

Philippe Serrano: Der 15. Dezember ist nicht das Ende, sondern der Anfang. Eine brandneue grenzüberquerende S-Bahn, das ist kompliziert. Eine mehrwöchige Einlaufphase ist unvermeidbar. Ein Bahnsystem, welches in zwei Ländern liegt, weist einen hohen Komplexitätsgrad auf. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heisst es, sich mit den Besonderheiten einer S-Bahn vertraut zu machen, auch bei Störungen. Dazu soll auch gesagt sein, dass die SBB noch nie ein so umfassendes Angebot mit einer so grossen Fahrplandichte eingeführt hat. Die Zürcher S-Bahn durchlief mehrere Phasen, bevor der Viertelstundentakt erreicht wurde. Beim Léman Express besteht dieser Takt gleich zu Anbeginn.

Was ist der Léman Express eigentlich?

Der Léman Express ist die S-Bahn, welche die gesamte Agglomeration Genf bis nach Frankreich hinein erschliesst. Rückgrat ist die CEVA-Strecke mit vier neuen Tiefbahnhöfen, die Genf Cornavin mit Annemasse (F) verbindet. Das ganze Netz erstreckt sich über 230 Kilometer und bedient 42 Bahnhöfe in der Schweiz und in Frankreich. Im Kernnetz werden die Züge im Viertelstundentakt verkehren. Täglich werden es rund 240 sein. Die Fahrzeugflotte umfasst 23 Flirt (Stadler) und 17 Régiolis (Alstom). Das Angebot und der Fahrplan des Léman Express wird von der Lémanis AG, einer gemeinschaftlichen Tochtergesellschaft von SBB und SNCF, gelenkt. Das Kundenbetreuungs- und das Lokpersonal in der Schweiz (bis Annemasse) ist von der SBB angestellt, in Frankreich (ab Annemasse) von der SNCF. Laut Schätzungen werden täglich rund 50 000 Kundinnen und Kunden den Léman Express verwenden. Mehr Infos (auf Französisch): www.lemanexpress.ch