Mission Piz Bernina

Schon lange will Katharina Ueltschi den Piz Bernina bezwingen – so wie einst ihre Vorfahren. Für ihre Mission tauscht sie Hemd und Blazer gegen Bergschuhe und Taschenlampe. Trotz seriöser Vorbereitung wird der Weg zum 4049 Meter hohen Gipfel für die Unternehmerin zu einer Grenzerfahrung.

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Es sind die Minuten, in denen das Licht die Oberhand über das Dunkel gewinnt. Katharina Ueltschis Schuhe stecken in Steigeisen, der Lichtstrahl ihrer Stirnlampe taucht das Eis des Gletschers in ein warmes Licht. Ihr Atem kondensiert in der Luft. Über den Gletscher zu gehen, das Knirschen des Eises zu hören – das bezeichnet Katharina als etwas unheimlich Friedliches, das sie in Singapur nicht findet.

Es ist noch dunkel, als sich Katharina und ihre Begleiterin auf den Weg machen.

Vom Schreibtisch an den Berg

Zusammen mit ihrem Bruder führt sie die Bernina International AG in der fünften Generation. Die 1893 in Steckborn gegründete Nähmaschinen-Firma ist seit jeher in der Hand der Familie. Von Singapur aus baut Katharina ein Innovation Lab auf. Damit führt sie das Unternehmen in die Zukunft.

Jetzt aber steht sie unterhalb der Diavolezza und vor einer ihrer grössten Herausforderungen: Sie möchte hinauf zum Piz Bernina, hinauf auf 4049 Meter über Meer.

Der Familienberg

Es ist ihr erster Versuch, einen 4000er zu bezwingen. Dass es gleich der Piz Bernina sein soll, hat einen gewichtigen Grund: Ihre Familie pflegt seit langer Zeit ein enges Verhältnis zum Engadin. Ihr Urgrossvater war dort 1931 in den Ferien und derart fasziniert vom Berg, dass er seine Firma von «Fritz Gegauf» auf Bernina Nähmaschinen umtaufte. Für ihn war nebst der persönlichen Verbindung wichtig, dass der Name international gut aussprechbar ist. Er dachte schon damals in grossen Dimensionen.

Hohe Ziele hat sich auch seine Urenkelin gesteckt. Gemeinsam mit ihrer Bergführerin überquert Katharina den Persgletscher. Im Schatten der Nordwandpfeiler des Piz Palü gelangt sie zur Gemsfreiheit. Beim Fortezzagrat packt sie ein erstes Mal ihre Kletterkünste aus. Konzentriert geht sie zu Werke und setzt um, was die Bergführerin vorgibt.

Gut vorbereitet

Katharina hat sich seriös auf die Hochtur vorbereitet. In Asien joggte sie mehrmals wöchentlich und ernährte sich gesund. Für die Mission Piz Bernina ist sie zwei Wochen vor ihrem Abenteuer ins Engadin gereist und hat ein intensives Höhentraining absolviert. Zusätzlich buchte sie ein Gletscher- und Klettertraining. Dafür ist sie jetzt dankbar.

Das Zweiergespann bewegt sich weiter über das Gletscherplateau der Bellavista. Die Bergführerin geht voran, dicht hinter ihr folgt Katharina. Sie atmet regelmässig, behält ihr hohes Tempo bei. Nur der Moment zählt, nur der nächste Schritt.

Sechs Stunden ist es mittlerweile her, dass Sie unterhalb der Diavolezza gestartet sind. Der Aufstieg zehrt an den Kräften. Katharina ringt mit dem Berg. Sie erlebt ein Wechselbad der Gefühle. Auf der einen Seite ist da die Schönheit der Natur, die Kraft, welche die Berge ausstrahlen. Auf der anderen Seite kämpft sie zusehends mit der Höhe, der Müdigkeit.

Ein letzter Zwischenstopp

Dann weicht plötzlich die Anspannung aus ihrem Gesicht. Vor ihren Augen taucht die Marco e Rosa Hütte auf. Hier wärmt sie sich auf, stärkt sich mit einer Portion Penne. Ein letztes Mal Kraft tanken. Denn der Schlussaufstieg, die letzten 420 Meter, haben es in sich.

Hinter der Marco e Rosa Hütte führt die Route weiter über den Gletscher und den Firnhang hoch. Katharina ist in ihren Gedanken bei ihrer Mutter und Grossmutter: Beide waren oben auf dem Piz Bernina. Die zwei Frauen sind ein grosser Inspirationsquell. Sie möchte diese Tradition weiterführen.

Ein psychischer und körperlicher Balanceakt

Katharina kämpft sich weiter zum ersten Felsen des Spallagrats. Ängste kommen auf. «Mein Leben zog wie ein Film an mir vorbei», wird sie später sagen. Auf dem schmalen, mit Schnee bedeckten Grat muss sie sich unheimlich überwinden. Ihr Blick ist nur auf ihre Schuhe gerichtet. Kein links und kein rechts. Es sind schwierige Minuten. Katharina kämpft mit sich, will abbrechen, umdrehen. Plötzlich scheint der Gipfel in weite Ferne gerückt zu sein. Die Bergführerin spricht ihr gut zu, motiviert sie weiterzumachen. Und Katharina macht weiter, beisst auf die Zähne. Was dann passiert, weiss sie nicht mehr so genau. Aber sie schafft es, sie bezwingt den Piz Bernina und zieht mit ihrer Mutter und ihrer Grossmutter gleich.

Mit einer neuen Erfahrung im Gepäck

Unten im Tal fliessen die Tränen, Katharina liegt in den Armen ihrer Mutter. Es sind Tränen des Glücks, aber auch der Erleichterung. Sie versucht das Erlebnis einzuordnen. Selten sei ihr Kopf so klar gewesen wie auf dem Gipfel. Sie spricht von einem der schönsten Erlebnisse ihres Lebens.

Mit dieser neuen Erfahrung im Gepäck will Katharina die Bernina International AG in die Zukunft führen – die Firma, die den Namen des Berges trägt, den ihr Urgrossvater so sehr liebte.

Die luxuriöse Variante

Einen Überblick über die Region erhält man nicht nur vom Piz Bernina aus. Die Rhätische Bahn bietet eine wesentlich komfortablere Möglichkeit an – eine spektakuläre Fahrt im Bernina Express über die UNESCO Welterbe-Strecke, über Viadukte und durch unzählige Tunnels. Die Bahnreise führt von Poschiavo vorbei an der Alp Grüm, auf die Bernina Passhöhe, zum Lago Bianco und dem Morteragletscher bis nach St.Moritz. Von dort geht es dann weiter über das berühmte Landwasserviadukt bei Filisur nach Chur. Die Strecke führt auf 145 Kilometern quer durch Graubünden. Vom Panoramawagen des Bernina Express eröffnet sich ein einzigartiger Blick auf die Bündner Bergwelt, auf mächtige Gletscher malerische Landschaften und spektakuläre Gipfel.

Die Start- und Zielbahnhöfe des Bernina Express in Poschiavo und Chur sind bequem von überall in der Schweiz aus mit dem Zug erreichbar.

Hier geht es zu den Panoramareisen. Link öffnet in neuem Fenster.