«Ich bin stolz auf mein Hobby.»

Fabian Knecht aus Remetschwil ist passionierter Trainspotter. Ausgerüstet mit einer Kamera macht er sich in seiner Freizeit auf die Jagd nach Zügen. Je seltener, desto besser. Sein bevorzugtes Revier: die Westschweiz.

Lesedauer: 6 Minuten

Treffpunkt Bahnhof Bern, Gleis 5. Der junge Mann schaut auf sein Smartphone. T-Shirt, Pullover, Übergangsjacke – gekleidet nach dem Zwiebelschalenprinzip. Kamera um den Hals, oben Rucksack, unten Trekking-Schuhe.

Das muss er sein.

Er hebt den Kopf und schaut freundlich herüber. «Hallo! Wie geht es?».

Er ist es.

Der junge Mann heisst Fabian Knecht, ist 21 Jahre alt und passionierter Trainspotter. In seiner Freizeit reist er durch die ganze Schweiz, um besondere Züge und aussergewöhnliche Kompositionen zu fotografieren. Sein Ziel heute: ein französischer Getreidezug. In Arnex soll dieser kurz nach Mittag durchfahren. «Je nachdem bleibt dann noch Zeit für Fotos an meinem Lieblings-Spot in Auvernier in der Nähe von Neuenburg», erklärt Fabian.

Mit der Dampfbahn hat es angefangen

Vor acht Jahren hat es Fabian so richtig den Ärmel reingezogen. Sein Grossvater hatte ihn auf eine Sonderfahrt mit der Dampfbahn Furka mitgenommen.

«Den Geruch nach Russ, nach gutem Russ, das Zischen des entweichenden Dampfes und das Knarzen der Wagen werde ich nie vergessen!»
Fabian Knecht

Die Strecke führte von Oberwald nach Realp auf 1546 Meter über Meer. «Ich liebte es, den Zug zu spüren, das Rattern, die enorme Kraft.» Diese Erfahrung weckte in Fabian eine neue Leidenschaft – zuerst für alte Passagierzüge und irgendwann für alles, was auf Schienen fährt.

Die Freizeit im Zeichen der Bahn

Seither dreht sich in Fabians Freizeit alles um Züge: Er besitzt eine Modelleisenbahn, liest die Eisenbahnrevue und hört sich Podcasts zu dem Thema an. Sein Traum: eines Tages in einem alten Bahnhäuschen zu wohnen.

Mit seiner Leidenschaft stösst er bei Gleichaltrigen nicht immer auf Verständnis.

«Ich muss mich oft rechtfertigen für mein Hobby. Aber ich bin sehr stolz darauf. Ich komme sehr weit herum, bin draussen in der Natur und bewege mich viel.»
Fabian Knecht

Gleichzeitig erhält er viel Zuspruch: Fast 2000 Personen folgen ihm auf seinem Instagram-Kanal.

Zwischenhalt

Ankunft in Arnex. Fabian durchquert das kleine Dörfchen. Vor einem grossen Feld hält er an. Dahinter verlaufen zwei Gleise. «Hier ist ein guter Platz.» Fabian überprüft sein Smartphone. «Der Getreidezug kommt in einer Stunde. Bis dann müssen wir uns einen anderen Ort suchen.». Der Grund: Die Sonne wird dann die Züge von der anderen Seite des Gleises beleuchten, wodurch auf den Fotos ein unschöner Seitenschatten entsteht.

Immer wieder schaut Fabian auf sein Smartphone. Ein Freund versorgt ihn stetig mit den Informationen, welche Züge wann und wo durchfahren: Personenzüge, Güterzüge, Spezialzüge. Fabian ist gut vernetzt in der Trainspotting-Szene. Das kommt ihm nun zugute. «Gleich kommen zwei ICN-Züge, dann ein Flirt.» Fabian nutzt die Gunst der Stunde und fotografiert die drei Züge, solange sie noch keine Seitenschatten werfen.

Noch 30 Minuten bis der Getreidezug kommt. Zeit für den Standortwechsel. Fabian hat genaue Vorstellungen: «Über dem Bahnhof in Arnex macht das Gleis eine Schlaufe. Dort fährt der Zug dann weiter in Richtung Vallorbe. Das ist der ideale Ort.» Schnellen Schrittes geht er voran, die Sonne brennt vom Himmel. Nun macht sich das Zwiebelsystem bezahlt.

An der Schlaufe von Arnex

Nach einem Fussmarsch von 20 Minuten erreicht Fabian die Schlaufe. Der blaue Himmel und das Ackerfeld mit den langen Fluchten bilden eine perfekte Kulisse. Fabian sucht den idealen Winkel und die richtige Distanz zu den Gleisen. Es ist ihm wichtig, dass seine Fotos ästhetisch ansprechend sind. Er schaut auf das Licht, die Abstände zwischen den Masten «und dass der Pantograf nicht in einem Masten versinkt».

«Da kommt der Getreidezug!», sagt er plötzlich. Fabian scheint mittlerweile einen sechsten Sinn für Züge entwickelt zu haben. Noch ist nichts zu hören oder zu sehen. Erst nach paar Sekunden taucht der Zug am Horizont auf. Es ist der Getreidezug. Nun gilt es ernst. Langsam bewegt sich die Karawane aus gräulichen und rostfarbenen Wagen durch die Kurve. Als die Lok in die Gerade einbiegt, hebt Fabian seine Hand. Ein Zeichen für den Lokführer, das alles in Ordnung ist. Dann betätigt Fabian den Auslöser. Die Kamera klickt: Zwei-, drei-, viermal. Das wars. Fabian schaut dem Getreidezug hinterher. Ein Lächeln macht sich breit auf seinem Gesicht.

Das Soll ist erfüllt. Doch Fabian hat noch nicht genug. Er will noch nach Auvernier. Im Zug tippt er auf seinem Smartphone herum. Er lässt seine Follower an seinem Ausflug teilhaben. Jeden Tag versucht er, mindestens ein Foto hochzuladen.

Ein Faible für die Romandie

Ankunft in Auvernier. «Bonjour», grüsst er eine Frau beim Vorbeigehen. Diese grüsst freundlich zurück. Durch kleine Gässchen, vorbei an Rebbergen gelangt Fabian zu seinem Lieblingsplatz. Er gerät ins Schwärmen: «Diese Rebberge sind so schön. Besonders im Sommer, wenn sie blühen.» Die Romandie hat es ihm angetan. In Lausanne hat er vor ein paar Jahren sein zehntes Schuljahr absolviert. Dabei hat er nicht nur seine Französischkenntnisse perfektioniert, sondern auch die Region lieben gelernt.

Im Minutentakt fahren die Züge vorbei. Einige fotografiert Fabian, andere lässt er vorbeiziehen, viele hat er schon unzählige Male abgelichtet. Spannend bleibe das Hobby trotzdem. «Bei Güterzügen weiss man nie im Voraus, welche Wagen und Loks eingesetzt werden.» Besonders gerne würde er die Re420 mit der Lackierung anlässlich des 175. Jubiläum der Schweizer Bahnen vor die Linse kriegen. «Ich habe die Lok am Morgen in Olten gesehen. Es ist aber nicht klar, wohin sie unterwegs ist.» Deswegen will Fabian noch den Güterzug um 16:21 abwarten.

Pünktlich taucht der Zug auf. Fabian positioniert sich, drückt ab und überprüft das Foto auf der Kamera. Leider ist es nicht die Lok mit der besonderen Lackierung. Halb so schlimm: «Dann erwische ich ihn halt ein anderes Mal.» Es ist an der Zeit, den Nachhauseweg anzutreten.

Heimwärts

Im Zug, der bald in Richtung Olten abfahren wird, richtet es sich Fabian gemütlich ein. Er hängt seine Jacke an den Haken, setzt sich hin und klappt die Armlehne herunter. Das macht er immer so vor langen Fahrten. Bis Remetschwil sind es noch rund zwei Stunden. Eine Strecke die er bestens kennt. Doch Langeweile kommt bei Fabian nie auf. Es gebe immer etwas Neues zu entdecken im Bekannten. Denn vom «Zug aus sieht man die Dinge im Detail. Das hat man in einer Reise im Flugzeug oder im Auto so nicht». Und wenn Fabian mal seinen Sinnen eine Ruhe gönnen will, dann schaltet er einfach ab.

«Wenn ich aus dem Fenster schaue, dazu Musik höre, dann verschwinden meine Gedanken. So kann ich mich am besten entspannen.»
Fabian Knecht

Ein Pfiff ertönt vom Gleis. Die Türen verriegeln sich schnaubend. Der Zug stöhnt auf und setzt sich mit einem Rucken in Bewegung. Fabians Mundwinkel wandern leicht nach oben. Diese Strecke, entlang des Neuenburger- und Bielersees, die fährt er am liebsten.

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