Aufbruchstimmung in den 1970er Jahren
Vorbilder sind vor allem Hippies und soziale Bewegungen in den USA. Die europäische Jugend ist sich einig: die starr empfundenen Normen und Institutionen müssen reformiert werden. Die Beatles haben sich inzwischen aufgelöst, doch Queen und Abba laufen in den Radios rauf und runter. Eines ist sicher: Jugendliche wollen nicht mehr eintönigen Urlaub mit den Eltern machen, sondern ihren Kontinent auf eigene Faust entdecken. In dieser Phase des Umbruchs passt Interrail – das Zugticket für Europa – bestens zum Zeitgeist. Das Angebot wird 1972, genau 50 Jahre nach der Gründung des internationalen Eisenbahnverbands (UIC), für Jugendliche unter 21 Jahren ins Leben gerufen.
Mit der Einführung des Interrail-Passes beginnt eine neue Ära im Schienenpersonenverkehr in Europa. Denn mit dem neuen internationalen Zugbillett können Jugendliche voller Neugierde mit nur einem Rucksack bepackt einen ganzen Kontinent entdecken. Gegen Ende des Jahrzehnts kommt das Angebot «Interrail Senior» auf den Markt. Damit reisen auch die älteren Semester günstig durch Europa.
Der erste Interrail-Boom in den wilden 1980er
Längst ist New Wave salonfähig geworden und nicht mehr nur Musik der eingeschworenen Punkszene. Gerade in Europa surfen Viele auf der Neuen Deutschen Welle. Neben Michael Jackson dröhnen so auch die Klänge von Falco und a-ha und ihre von Synthesizern geprägte Musik aus den Radios der 80er Jahre. Die Kritik der Jugend am gesellschaftlichen System hält weiter an und mündet unter anderem in erste Umweltbewegungen. Interrail als ökologische Alternative zu anderen Transportmitteln wird in dieser Zeit immer beliebter. Bereits 1982 werden mehr als 270 000 Interrail-Pässe verkauft. Als 1989 die Mauer fällt, scheint Europa mit dem Interrail-Pass grenzenlos. Passend dazu wird im selben Jahr das "Interrail Flexi" eingeführt. Damit können Jugendliche bis 26 Jahre flexibel zehn Tage innerhalb eines Monats reisen. In den nordischen Ländern, Grossbritannien und Griechenland wird gleichzeitig der Interrail-Pass für Erwachsene als Testversion eingeführt.
Die neuen Zonen der 1990er Jahre
Inzwischen dröhnen Songs wie «Smells like Teen Spirit» von Nirvana nicht mehr nur aus den Radios, sie laufen auch auf Viva und MTV auf und ab. Die 1990er Jahre sind geprägt von einer Neuordnung der Welt nach dem Ende des Kalten Kriegs und dem Zerfall der Sowjetunion. Auch Interrail reformiert sich und führt 1994 das Zonensystem ein. Eine Zone ermöglicht es, 15 Tage zu reisen; ein Ticket für zwei oder drei Zonen ist für einen Monat gültig. 1998 wird zur Freude aller über 26-jährigen aus der Testversion von Interrail für Erwachsene ein festes Angebot, das in den meisten europäischen Ländern erhältlich ist.
Die grenzenlosen 2000er Jahre
Die «Digital Natives» sind inzwischen alt genug, um alleine durch Europa zu reisen. Musik hören sie über Youtube oder unterwegs mit dem iPod. Ganz im Sinne der anhaltenden Globalisierung wird das Zonensystem 2007 vom Interrail Global-Pass abgelöst. Ein einziger Pass erlaubt so der neuen Interrail Generation über die Zonengrenzen hinaus zu reisen. Wer sich lieber Zeit für ein Land nimmt, tut dies mit dem One Country Pass. Da nicht mehr nur Jugendliche Europa mit dem Zug bereisen, gibt es die Interrail-Pässe im Laufe der 2000er Jahre auch für die erste Klasse. Damit verliert Interrail immer mehr den Ruf vom Angebot für Jugendliche mit stinkenden Socken und grossen Rucksäcken.
Die digitalen 2010er Jahre
Während am Anfang des Jahrzehnts noch die ganze Welt zu «Harlem Shake» und «Gangam Style» tanzt, streiken 2018 und 2019 immer mehr Jugendliche für das Klima und für effiziente Klimaschutzmassnahmen. Die «Fridays for Future» verleihen dem Reisen mit dem Zug als nachhaltige Alternative zum Flugzeug frischen Aufwind. 2019 werden so fast 400 000 Interrail-Pässe verkauft und der Gültigkeitsbereich um Estland, Lettland und Litauen erweitert. Die Klimajugend ist aber auch digitaler unterwegs als die vorherigen Generationen und plant ihre Reisen nicht mehr mit der altbekannten Papierkarte, sondern mit dem Rail Planner App, das seit 2013 die Routenplanung erleichtert.
Krisen und Jubiläen der 2020er Jahre
Nicht mehr nur die Klimakrise beschäftigt die Welt am Anfang der 2020er Jahre: erste Fälle eines neuartigen Coronavirus tauchen auf und verbreiten sich rasch. Die anhaltende Pandemie macht internationale Reisen schwierig und teilweise sogar unmöglich. Auch Interrail erlebt einen noch nie dagewesenen Rückgang. Gleichzeitig wird an neuen moderneren Anwendungen getüftelt. So löst der Mobile Pass den inzwischen historischen Papierschein ab. Der digitale Pass wird 2021 von 96 Prozent der Reisenden genutzt. 2021 entsteht zudem eine neue, moderierte Community-Plattform, die Zugreise-Enthusiasten zusammenbringt, um sich gegenseitig zu inspirieren und zu helfen. Seit 50 Jahren verbindet Interrail Länder und Menschen. Gleichzeitig steht das Zugticket für Europa auch für eine Zukunft des nachhaltigen und verantwortungsvollen Reisens in Europa. Auf weitere Jahre voller Freundschaften und unvergesslicher Abenteuer – Happy Birthday Interrail!
Fünf Tipps für deine nächste Interrail Reise
In 50 Jahren Interrailen kommen so einige Tipps und Tricks zusammen. Wir haben die wichtigsten fünf zusammengestellt:
- Ein Rucksack statt Koffer erleichtert die Reise mit dem Zug.
- Eine Platzreservation verhindert oft das lange Suchen nach einem freien Sitzplatz und ist auf gewissen Strecken obligatorisch.
- Die passende Begleitung macht das Reiseerlebnis perfekt. Wer lieber alleine reist, hat gute Chancen spannende Bekanntschaften zu machen.
- Die Rail Planner App und der Mobile Pass machen das Reisen noch praktischer.
- Auch wenn sich die Lage etwas entspannt hat, ist es besser die Corona-Massnahmen in den entsprechenden Ländern zu kennen.