Wusste man nicht schon länger, dass die Brücke in keinem guten Zustand ist?
Brücken im Streckennetz der SBB werden alle sechs Jahre einer Hauptinspektion unterzogen. Das Ergebnis einer Hauptinspektion ist ein ausführliches Inspektionsprotokoll, eine visuelle Zustandsbewertung und Zuordnung in folgende Zustandsklassen nach dem «Regelwerk Technik Eisenbahn 29900»: 1 = neuwertig, 2 = gut, 3 = ausreichend, 4 = schlecht, 5 = ungenügend.
Die Margarethenbrücke wurde 2021 das letzte Mal einer Inspektion unterzogen. Das Resultat der Inspektion war eine Klassifizierung der Brücke in die Zustandsklasse 3 (ausreichend).
Was bedeutet Zustandsklasse 3?
Üblicherweise startet die SBB bei einem solchen Resultat mit den Überlegungen für die Planung von Sanierungsmassnahmen. Im Fall der Margarethenbrücke wurde darauf verzichtet. Einerseits waren keine kurzfristigen Sanierungsmassnahmen auf Grund des optisch ersichtlichen Zustandes nötig. Andererseits liefen bereits die ersten Planungen für eine Erneuerung der Brücke, dies im Zusammenhang mit dem Bahnausbauprojekt Perronzugang Margarethen (siehe SBB Medienmitteilung vom 8. November 2022 «Basel SBB: Grünes Licht zur Projektierung eines neuen Perronzugangs»). In diesem Rahmen wollten die SBB und der Kanton Basel-Stadt auch die künftigen Anforderungen von Tram und Langsamverkehr in die Planung des Neubaus einfliessen lassen.
Wieso musste Ende Mai das Befahren für schwere Fahrzeuge eingeschränkt werden?
Als Vorbereitung für die Erneuerung der Brücke beauftragte die SBB eine Substanzerhaltungsstudie. Diese Studie hatte zum Ziel, die Restnutzungsdauer der bestehenden Brücke zu eruieren. Im Rahmen so einer Studie wird immer auch die Statik einer Brücke überprüft. Bei der Prüfung der Berechnungsergebnisse erkannten die Fachleute Ende Mai 2023, dass die Tragsicherheit der sogenannten «Gerbergelenke» rechnerisch nach heute geltenden Normen nicht nachgewiesen werden kann. Als Konsequenz reduzierte die SBB als vorsorgliche Massnahme per 25. Mai 2023 die Lastbeschränkung der Brücke und setzte die dazu nötigen Massnahmen gemeinsam mit Kanton, BVB und BLT um (SBB Medienmitteilung vom 23. Mai 2023 «Einschränkungen für schwere Fahrzeuge auf der Margarethenbrücke»). So wurde die Brücke für den Lastwagen- und Busverkehr gesperrt. Trams durften sich nicht mehr auf der Hauptbrücke kreuzen.
Weshalb musste die Brücke Ende Juni kurzfristig für den Tramverkehr gesperrt werden?
In der Folge wurde eine Expertengruppe einberufen, um die Ergebnisse der Studie zu validieren. Die Expertengruppe kam am 30. Juni zum Schluss, dass die Lasteinschränkungen ausgeweitet werden müssen und die Brücke für den Tramverkehr zu sperren ist. Die Sicherheit hat bei der SBB immer die oberste Priorität. Aus diesem Grund wurde die notwendigen Massnahmen getroffen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die SBB stellte den Tramverkehr auf der Brücke noch am selben Tag – nach entsprechend kurzfristiger Vorinformation an Kanton, Bundesamt für Verkehr, BVB und BLT, ein (siehe SBB Medienmitteilung vom 30. Juni 2023 «Basel Stadt: Margarethenbrücke auch für den Tramverkehr gesperrt»). Dass die Überprüfung zu einem solchen Resultat führt, war nicht vorherzusehen.
Was sind Gerbergelenke?
Die Gerbergelenke stellen die Verbindungen der Brückenträger dar. Dabei handelt es sich um eine für Brücken dieses Typs heute als veraltet geltende Konstruktion. Bei dieser sind einzelne Träger nur bei den benachbarten Trägern eingehängt, jedoch selbst nicht auf eigenen Stützen aufliegend. Sie wurden im Lauf der Zeit einbetoniert.
Die Sperre für den Tramverkehr führte zu Irritation und Verärgerung bei den Basler Verkehrs-Betrieben und der Bevölkerung.
Dafür haben wir natürlich Verständnis. Wir sind uns als öV-Unternehmen, welches die betrieblichen Auswirkungen von solchen Entscheiden sehr gut kennt, bewusst, dass die kurzfristig nötige Sperre des Tramverkehrs für alle Betroffenen ein Ärgernis ist. Dieser Entscheid fiel uns alles andere als leicht. Aber im Sinne von «Sicherheit kommt an erster Stelle» mussten wir so handeln. Die SBB bittet die BVB sowie BLT und ihre Kundinnen und Kunden um Entschuldigung für die entstandenen Unannehmlichkeiten. Wir setzen alles daran, die nötigen Massnahmen so schnell wie möglich aufzugleisen und umzusetzen und die Situation für alle Betroffenen zu verbessern.
Wie geht es jetzt weiter?
Die SBB plant, die Brücke mit zusätzlichen, provisorischen Stützenreihen abzusichern. Diese Planung für eine mögliche Unterstützung der Brücke ist in vollem Gange und wird von uns prioritär vorangetrieben. Wo und wie viele Stützenreihen platziert werden, ist in Ausarbeitung. Der genaue Ausführungstermin ist Teil der aktuellen Planung. Ziel der SBB ist, die Arbeiten bis im Herbst 2023 abzuschliessen.
Soll die Margarethenbrücke dereinst tatsächlich komplett neu erstellt werden?
Ja, ein Neubau ist als Teil der Vorstudie «Kapazitätsausbau Knoten Basel» in Planung. Ziel war, die verschiedenen Bedürfnisse von SBB und Kanton in die Ausschreibung für den Perronzugang Margarethen einfliessen zu lassen und bestenfalls zwischen 2030 und 2040 eine neue Brücke zu bauen. Dazu müssen unter anderem zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein: Einerseits muss die SBB die nötigen Bundesgelder für einen gleichwertigen Ersatz erhalten. Andererseits muss der Kanton Finanzierungslösungen für die zusätzlichen Bedürfnisse von Tram und Langsamverkehr finden.
Auf der Margarethenbrücke verkehren keine Trams mehr, aber je nach Verkehrssituation stauen sich Autos. Besteht nicht die Gefahr, dass die Last zu gross wird, wenn sich Autos auf der Brücke stauen?
Für die Tragfähigkeit der Gerbergelenke ist nicht die Gesamtlast auf der Brücke, sondern ausschliesslich die Last direkt über den Gerbergelenken relevant. Die Last von Autos können die Gerbergelenke aufnehmen.