84 000 gut qualifizierte Frauen und zunehmend auch Männer bleiben nach der Geburt eines Kindes zu Hause, weil sie sich um Nachwuchs und Haushalt kümmern. Viele von ihnen würden ihre berufliche Entwicklung gerne fortsetzen, sofern sich Arbeit und Familie sinnvoll vereinbaren lassen. Dieses brachliegende Potential hinterlässt eine Lücke in der Schweizer Wirtschaft, wo sich Unternehmen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels bereits heute im Wettbewerb um die besten Fachkräfte behaupten müssen.
Um die Bedürfnisse potenzieller Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger besser zu verstehen, hat die SBB die ETH Zürich mit einer Studie beauftragt (siehe Kasten). Diese untersucht den Wert von Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteigern für die Wirtschaft. Erstmals wurden dabei drei Perspektiven beleuchtet: Befragt wurden Mütter, Väter sowie Arbeitgebende. Die Studie kommt zum Schluss: Auch wenn dabei Herausforderungen entstehen können und gewisse Investitionen notwendig sind, zahlt es sich aus Sicht der befragten Mütter, Väter und Unternehmen langfristig aus, den beruflichen Wiedereinstieg zu fördern.
Die SBB hat die Erkenntnisse aus der Studie genutzt, um verschiedene konkrete Massnahmen zur Förderung von Wiedereinstegerinnen und Wiedereinsteigern zu ergreifen und Hürden abzubauen, die eine Rückkehr in den Berufsalltag heute noch erschweren.
Mit Kindern ans Bewerbungsgespräch.
Schon die Frage der Kinderbetreuung kann einem Bewerbungsgespräch im Wege stehen. Deshalb bietet die SBB neu eine professionelle Kinderbetreuung für Bewerberinnen und Bewerbern an, die für die Dauer des Gesprächs keine andere Betreuungslösung finden.
Weiter führt die SBB verschiedene Einstiegsprogramme sowie ein Teilzeit-Ausbildungsmodell (60 Prozent) für angehende Kundenbeleiterinnen und Kundenbegleiter ein. So können künftige Kundenbegleitende Ausbildung und Familie besser unter einen Hut bringen.
Auffrischungskurse für Programmiererinnen und Programmierer.
Bewerberinnen und Bewerbern für das IT Einstiegsprogramm «Back to Business» wird ein Auffrischungskurs angeboten, um die Programmiersprachen-Skills bei der Rückkehr in den Beruf auf den aktuellsten Stand zu bringen. In der IT ist der sogenannte «Talent War» besonders akut. Frauen stellen hier ein enormes Potenzial dar, verliessen die Branche aber oft, wenn sie Mutter würden, erklärt Corinne Kuhn, Verantwortliche des HR-Programms bei der SBB: «Wir wollen diesen Frauen den Wiedereinstieg erleichtern und unterstützen sie dabei.»
Auch Kaderstellen sollen künftig vermehrt unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgeschrieben werden. Die Möglichkeit zum Jobsharing wird wann immer möglich bereits bei der Stellenausschreibung ausgewiesen. Ausserdem überarbeitet die SBB Stellenanzeigen sprachlich, um Frauen gezielter anzusprechen. Speziell für Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger geeignete Stellen werden künftig entsprechend gekennzeichnet und auf der Internetseite sbb.ch/backtobusiness veröffentlicht.
ETH-Studie: «Wert von Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteigern für die Wirtschaft».
Der Fokus der im Mai publizierten Studie liegt auf den Vorteilen, die für Unternehmen entstehen, wenn sie den beruflichen Wiedereinstieg von Müttern und Vätern erfolgreich gestalten und mittels entsprechender Massnahmen fördern. Die Studie thematisiert die Herausforderungen, mit denen sich betroffene Mütter, Väter und Unternehmen auseinandersetzen müssen, und formuliert Empfehlungen für Unternehmen im Umgang damit. Dazu wurden eine Online-Befragung mit insgesamt 806 Müttern und Vätern sowie 30 Interviews mit Führungskräften von Schweizer Unternehmen durchgeführt.
Angelika Kornblum, die Studienverantwortliche der ETH Zürich, kommt zum Schluss, dass es sich trotz Herausforderungen für Arbeitgebende langfristig auszahlt, den beruflichen Wiedereinstieg von Eltern mit entsprechenden Massnahmen zu fördern. Dabei sollten Unternehmen das familiäre Engagement der Väter unterstützen, Flexibilität gewährleisten und eine hohe Sensibilität im Unternehmen sowie eine vereinbarkeitsunterstützende Unternehmenskultur schaffen. Die Förderung des beruflichen Wiedereinstiegs von Eltern sei somit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von besonders hoher Relevanz.