Halbjahresergebnis 2020 – Corona hat die SBB stark getroffen: Ein Drittel weniger Reisende bei gleichbleibenden Kosten

Nach einem guten Start bremst Corona das erste Halbjahr 2020: Täglich waren durchschnittlich noch 810 000 Passagiere unterwegs, das ist mehr als ein Drittel weniger als im Vorjahr.

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  • Die SBB schreibt einen Halbjahresverlust von 479 Millionen Franken, im Vorjahr erzielte sie ein positives Ergebnis von 279 Millionen. Die Erträge sind stark eingebrochen, gleichzeitig konnten die Kosten wegen des weiter geführten Grundangebots während des Lockdowns nur leicht gedämpft werden.
  • Dank Unterstützung des Bundes ist die Liquidität der SBB vorerst gesichert. Zudem hat der Bund eine Sonderbotschaft zur Unterstützung der abgeltungsberechtigten ÖV-Bereiche ans Parlament verabschiedet.
  • Die SBB hat bereits im April Sparmassnahmen im Umfang von rund 250 Millionen Franken eingeleitet; die Löhne der Mitarbeitenden wurden immer vollständig ausbezahlt.
  • Seit Juni nehmen die Passagierzahlen zu. Die SBB rechnet im zweiten Halbjahr mit einer schrittweisen Steigerung der Nachfrage. Sie erwartet jedoch wegen Corona mittelfristig Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten.

Die SBB startete gut ins Jahr 2020. So stieg beispielsweise die Nachfrage im Personenverkehr in den ersten zwei Monaten um rund vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ab März jedoch hat die Coronakrise das Gesamtsystem des Öffentlichen Verkehrs der Schweiz und damit auch die SBB hart getroffen. Während des Lockdowns hielt die SBB ihr Grundangebot aufrecht – für Gesellschaft und Wirtschaft. Dies war nur möglich dank des grossen Einsatzes der Mitarbeitenden. Während die Erträge stark eingebrochen sind, konnten umgekehrt die Kosten aufgrund des weitgehend aufrechterhaltenen Angebots nur leicht gedämpft werden. Die SBB weist im ersten Halbjahr ein Konzernergebnis von minus 479 Millionen Franken aus (Vorjahr: plus 279 Millionen Franken). Im 2. Quartal büsste die SBB rund die Hälfte ihrer Personenverkehrserträge gegenüber dem Vorjahr ein. Zusammen mit der ÖV-Branche hat die SBB wegen Corona umfangreiche Kulanzmassnahmen umgesetzt. So erhielten Abo-Kundinnen und Kunden 100 Millionen Franken Entschädigung. Zudem hat die SBB während dem Lockdown Geschäftsmieten erlassen oder reduziert. Die Löhne der Mitarbeitenden wurden immer vollständig ausbezahlt.

Ein Drittel weniger Reisende unterwegs.

Pro Tag wurden im ersten Halbjahr durchschnittlich 810 000 Passagiere befördert, mehr als ein Drittel weniger als im Vorjahr (1,29 Millionen), die Personenkilometer sanken ebenfalls um 38,4 Prozent. Erfreulich ist, dass dieses Jahr mehr Reisende mit Halbtaxabonnement unterwegs sind, insgesamt 2,72 Millionen (Vorjahr: 2,64 Mio.). Ein Generalabonnement hingegen besitzen im ersten Halbjahr noch 459 000 Personen, 7,0 Prozent weniger als im Vorjahr (493 000). Mehr als die Hälfte der Billette werden mittlerweile über die digitalen Verkaufskanäle sbb.ch und SBB Mobile bezogen (59,5 Prozent; Vorjahr: 49,9 Prozent). Die starke Zunahme aus den Vorjahren setzt sich damit fort.

Liquidität dank Bund gesichert, Sparmassnahmen eingeleitet.

Die Verschuldung ist gestiegen: Der sogenannte Schuldendeckungsgrad, das heisst die verzinsliche Nettoverschuldung im Verhältnis zum EBITDA, liegt bei 13,4 und damit deutlich über der vom Bund geforderten Höchstgrenze von 6,5. Die SBB plant die Verschuldung über die nächsten Jahre zu stabilisieren. Zur Deckung von Liquiditätsengpässen hat der Bund die kurzfristige Kreditlimite um 550 Millionen Franken erhöht. Diese Vorsorgemassnahme sichert die Liquidität der SBB über die nächsten Monate. Für weitere allfällige Massnahmen zur mittelfristigen Finanzierung ist die SBB im Gespräch mit dem Bund. 

Aufgrund der ausserordentlichen Lage hat der Bund dem Parlament eine Sonderbotschaft im Zusammenhang mit den ungedeckten Kosten unterbreitet; diese wird zurzeit in der Herbstsession von den Räten behandelt. In den eigenwirtschaftlichen Bereichen Fernverkehr und Immobilien deckt die SBB die Ertragsausfälle selbst. 

Das Kurzarbeitsgesuch der SBB wurde von der kantonalen Arbeitsmarktbehörde abgelehnt, obwohl die SBB und ihre Angestellten in den vergangenen 20 Jahren über eine Milliarde Franken in die Arbeitslosenkasse einbezahlt haben. Gegen den Entscheid hat die SBB Rekurs eingelegt. 

Die bereits Ende April eingeleiteten Sparmassnahmen, wie etwa ein Einstellungsstopp für Verwaltungsbereiche, leisten bis Ende Jahr einen Beitrag von rund 250 Millionen Franken. Die diesjährigen Investitionen in die Bereiche IT, Energie und Innovation werden reduziert. Weiter verschiebt die SBB teilweise Projekte in die Folgejahre. Der operative Bahnbetrieb und die Sicherheit sind durch die Sparmassnahmen nicht tangiert.

Kerngeschäft für Kundinnen und Kunden stärken.

Zentral für die SBB ist die Zufriedenheit ihrer Kundinnen und Kunden; Sicherheit, Pünktlichkeit und Qualität stehen deshalb an erster Stelle. Die Coronakrise hatte keine negativen Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit. Mit 76,6 Punkten ist die Kundenzufriedenheit im Personenverkehr höher als im Vorjahr (plus 1,1 Punkte). Die Kundenpünktlichkeit lag bei 93,6 Prozent (Vorjahr: 91,6 Prozent). Die SBB arbeitet intensiv daran, die Pünktlichkeit auch bei steigenden Passagierzahlen und zunehmenden Baustellen auf dem hohen Niveau zu halten. Auch die Sendungspünktlichkeit von Cargo hat sich im Gegensatz zum Vorjahr verbessert (93,4 Prozent Vorjahr: 92,1 Prozent). Dies ist dem grossen Einsatz aller Mitarbeitenden zu verdanken.

Finanzielle Besserung im zweiten Halbjahr erwartet – leider Zugsausfälle.

Seit Juni steigen die Passagierzahlen und praktisch alle Passagiere befolgen die im Juli vom Bund eingeführte Maskenpflicht, wofür sich die SBB bedankt. Die aktuelle Auslastung im Fernverkehr liegt bei 70 Prozent (Woche 36) der Auslastung des Vorjahres, im Regionalverkehr bei 80 Prozent. Entsprechend geht die SBB davon aus, dass sich die finanzielle Situation im zweiten Halbjahr etwas entspannt. Zudem werden die Massnahmen des Bundes das Jahresergebnis teilweise entlasten. 

Die SBB hat die Reinigung in den Zügen und Bahnhöfen verstärkt und zudem in den Bahnhöfen Hygienemassnahmen eingeführt. Um künftig überlastete Züge zu vermeiden, empfiehlt die SBB den Pendlerinnen und Pendlern wie seit jeher, in den Nebenverkehrszeiten zu reisen und dabei die Möglichkeit von «Work Smart» zu nutzen. 

Den Bedarf an Lokpersonal hat die SBB in den vergangenen Jahren unterschätzt und die Rekrutierung zu defensiv geplant. Die Coronakrise verzögert zudem die Aus- und Weiterbildung von Lokführern. Aufgrund der angespannten Personalsituation fallen bis Ende Jahr teilweise Zugverbindungen aus. Gemäss aktueller Planung wird die SBB ab Fahrplanwechsel im Dezember 2020 das vorgesehene Angebot fahren können, ausser in der Westschweiz, wo gewisse Einschränkungen bis April 2021 bestehen bleiben. Die SBB entschuldigt sich bei den Besteller-Kantonen und insbesondere auch bei den Kundinnen und Kunden.

Corona belastet alle Bereiche der SBB.

Das Halbjahresergebnis im Personenverkehr beträgt –419 Millionen Franken (Vorjahr +124 Mio.). Sowohl der Regional- wie auch der Fernverkehr verzeichnen negative Ergebnisse (RV –146 Mio., FV –261 Mio.). Beim Billettverkauf ist die Selbstbedienungsquote von 90,1 auf 93,4 Prozent gestiegen. Darin enthalten sind die digitalen Kanäle (sbb.ch und SBB Mobile), automatische Abo-Verlängerungen sowie Bezüge an Automaten und via Partnervertriebe.

Das Halbjahresergebnis von Immobilien beträgt 106 Millionen Franken, vor Ausgleichszahlungen an die Infrastruktur und Pensionskasse (Vorjahr 179 Mio.). Der Mietertrag Dritte liegt bei 248 Millionen Franken (Vorjahr 266 Mio.); darin zeigt sich der sehr kulante Umgang der SBB mit ihren Geschäftsmietern während des Lockdowns. Deutlich gesunken ist der Drittumsatz in den 32 grössten Bahnhöfen von 871 Millionen auf 616 Millionen Franken.

Das Halbjahresergebnis von SBB Cargo Schweiz beträgt –27,7 Millionen Franken (Vorjahr +0,25 Mio.). SBB Cargo International schliesst mit –4,21 Millionen (Vorjahr 1,02 Mio.) ab. Die Nettotonnenkilometer im Güterverkehr haben um 12,4 Prozent abgenommen (7,41 Milliarden Ntkm., Vorjahr: 8,45 Milliarden Ntkm).

SBB Infrastruktur verzeichnet ein Halbjahresergebnis von –115,4 Millionen Franken (Vorjahr +9,6 Mio.). Durch den Einbruch der Trassenerträge sowie Produktivitätsverluste infolge Corona verzeichnet der Bereich Netz mit –127,8 Millionen Franken ein deutlich negatives Ergebnis (Vorjahr –5,2 Mio.). Im Bereich Energie lag der Ergebnisbeitrag mit 12,4 Millionen Franken auf Vorjahresniveau (14,8 Mio.), dieser Betrag fliesst in Reinvestitionen von Energieanlagen.

Trotz Baustellenstopps liegen die Investitionen mit 1099 Millionen Franken insgesamt auf Budgetkurs, aber unter Vorjahr (1149 Mio.). Trotzdem ist der Grossteil der vorübergehend geschlossenen Baustellen auf Kurs. So plant die SBB, etwa die Strecke Zugersee Ost rechtzeitig Ende 2020 in Betrieb nehmen zu können. Auch der Ceneri-Basistunnel konnte dank dem grossen Einsatz aller Mitarbeitenden trotz Corona wie geplant Anfang September eröffnet werden. 

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