Der neue FV-Dosto im Kreuzfeuer mit der Behindertengleichstellung

Gemäss Behindertengleichstellungsrecht haben Behindertenorganisationen das Recht, Beschwerde gegen spezifische behördliche Bewilligungen einzureichen. Es ist selbstverständlich, dass die SBB dies respektiert.

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Mit der jüngsten Verbandsbeschwerde wurde nun ein Beschwerdeverfahren angestossen, welches die Betriebseinführung der neuen FV-Dosto Züge nach Ansicht der SBB verzögern kann. Die SBB nimmt zudem zu den jüngsten Vorwürfen Stellung, wonach gemäss Medienberichten die Züge wegen Problemen mit der Software nicht eingesetzt werden können.

Der FV-Dosto verfügt seit Ende November 2017 über eine befristete Betriebsbewilligung des BAV. Im Rahmen der Bewilligungserteilung hat das BAV geprüft und bestätigt, dass das Behindertengleichstellungsgesetz erfüllt ist. Der Zug erfüllt die einschlägigen Bahnnormen wie z.B. die TSI PRM (Technische Spezifikationen für die Interoperabilität für Personen mit reduzierter Mobilität). Die befristete Betriebsbewilligung wurde nun durch einen Dachverband im Rahmen des Verbandsbeschwerderechts angefochten. Aktuell läuft das sogenannte Massnahmeverfahren.

Die SBB wird im Februar beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerdeantwort einreichen und darin die Abweisung der Beschwerde beantragen.

Update vom 16.2.2018: Die SBB hat, wie oben erwähnt, Anfang Februar beim Bundesverwaltungsgericht beantragt, den Einsatz der FV-Dosto mit Kunden zu erlauben und der Verbandsbeschwerde die aufschiebende Wirkung zu entziehen. Dem Antrag wurde vorerst für sechs Fahrzeuge stattgegeben. Die SBB begrüsst den Entscheid und wird Ende Februar den neuen Fernverkehrsdoppelstockzug für Fahrten mit Kundinnen und Kunden einsetzen, wie sie in einer Medienmitteilung schreibt.

Behindertenverbände von Anfang an eng einbezogen

Das Fahrzeugkonzept sieht für mobilitätseingeschränkte Personen u.a. Niederflureinstiege über den ganzen Zug, mindestens drei Rollstuhlplätze mit Zugang zum rollstuhlgängigen Universal-WC und weitere Unterbringungsmöglichkeiten in den Multifunktionszonen, sowie einen Catering-Service am Platz vor.

Seit Beginn des Projekts fand und findet eine aktive Abstimmung mit den Behindertenverbänden statt. Die Verbände wurden in die Fahrzeug-Konzeption einbezogen. So wurden die Behindertenorganisationen bereits im ersten Halbjahr 2011 eingeladen, das 1:1 Holzmodell (Maquette) des Zuges zu besichtigen, bzw. zu befahren und zu kommentieren. Bei diesem Modell war die Rampensituation korrekt und gemäss heutigem Stand, bzw. geltenden Normen gebaut. Damals erfolgte keine Beschwerde durch die Behindertenorganisationen zur Rampensituation.

Zuletzt fand am 22. Dezember 2017 eine Besichtigung des Zuges mit den Behindertenverbänden statt, anlässlich welcher die Umsetzung der eingebrachten Inputs diskutiert wurden. Besprochen wurden die Hilfen für Sehbehinderte, die Durchsagequalität für Hörbehinderte und auch die Rollstuhlgängigkeit. Eine Besichtigung zu einem früheren Zeitpunkt hätte nicht auf einem Fahrzeug, welches alle Sonderzonen wie Familienwagen und Speisewagen umfasst, stattfinden können.

SBB hatte bereits freiwillig Anpassungen vorgenommen

Die SBB nimmt das Thema Behindertengleichstellung sehr ernst. Sie unternimmt grosse Anstrengungen und engagiert sich auch über die geltende Norm, bzw. die Standards aller umgebenden Länder hinaus. So ist die SBB gewissen Forderungen der Behindertenverbände aus freien Stücken entgegengekommen.

Bereits im Jahr 2011 wurde eine Verbandsbeschwerde eingereicht. Es erfolgte damals keine Beschwerde zur Rampensituation. Einzelne Behindertenverbände forderten damals jedoch ein zusätzliches Behindertenabteil samt rollstuhlgängiger Toilette und einen Lift in den Speisewagen. Das Bundesgericht gab der SBB nach Weiterzug des Urteils recht.

Die Typenskizze und das Pflichtenheft des Fahrzeuges wurden somit letztinstanzlich als gesetzeskonform und nichtdiskriminierend beurteilt. Die SBB bedauert, dass es zu einem erneuten Gerichtsverfahren kommt.

Bei der Revision von Gesetzen, Verordnungen und Ausführungsbestimmungen von öV-Erlassen durch das BAV werden Behindertenorganisationen bereits in das Vernehmlassungsverfahren einbezogen und können dabei entsprechende Rückmeldungen und Stellungnahmen geben.

Da die Beschwerdeantwort auf die jüngste Verbandsbeschwerde noch nicht eingereicht ist, verzichtet die SBB derzeit auf weitere Ausführungen, da die juristischen Fragen durch die gerichtlichen Instanzen vorgängig geklärt werden müssen.

Update vom 5. Februar 2018

Softwareprobleme bei neuen Bombardier-Zügen?

Die SBB testet die neuen Fahrzeuge des Herstellers Bombardier auf Herz und Nieren. Dabei werden Erkenntnisse gewonnen, was noch verbessert oder angepasst werden muss. Passagiere sind bei diesen Testfahrten nicht an Bord. Der Zug ist zurzeit noch nicht in allen Punkten auf dem Stand, wie wir ihn gemäss SBB Anforderungskatalog bestellt haben, zum Beispiel bei der Software der Fahrzeuge. Die SBB hat dies bereits so bestätigt und dieser Umstand ist auch dem Hersteller Bombardier bekannt.

Es ist nicht so, dass in jedem Fall das Aufstarten der Software 40 Minuten beansprucht, wie in Medienberichten dargestellt wurde. Die langen Prozesszeiten beim Aufstarten der Züge und im Falle ausserordentlicher Ereignisse sind der SBB und Bombardier allerdings bekannt. Sie sollen im Verlauf von 2018 im Rahmen neuer Software-Releases deutlich verkürzt werden.

Die SBB führt nun letzte Vorbereitungen im Bereich der Betriebseinführung durch und wird den Zug schrittweise einführen. Es ist geplant, dass der Zug ab Fahrplanwechsel 2019 (Dezember 2018) im vollen Software-Funktionsumfang eingesetzt werden kann. Voraussetzung für einen Einsatz mit Kunden ist, dass die Züge sicher und zuverlässig im Betrieb funktionieren, wie dies die SBB von Beginn weg transparent kommuniziert hat.

Hintergrund: Das Thema der Softwareprobleme wurde medial bereits mehrfach behandelt. Bereits Ende 2016 hatte beispielsweise die Redaktion des Schweizer Fernsehens SRF zum gleichen Thema einen Bericht publiziert und die SBB hatte bereits damals entsprechende Anfragen bestätigt.