Es ist 7.00 Uhr im Bahnhof Zürich. In den nächsten zehn Minuten werden insgesamt 22 Züge in alle Himmelsrichtungen losfahren. Das gleiche Bild wie im Bahnhof Zürich zeigt sich an ganz vielen Bahnhöfen der Schweiz. Dank des Taktfahrplans – eingeführt 1982 – haben die Reisenden gute Anschlussverbindungen und Umsteigemöglichkeiten.
Der Taktfahrplan sorgt aber auch dafür, dass der Leistungsbedarf im Bahnstromnetz nach den vollen und halben Stunden schlagartig zunimmt. An kalten Tagen sorgen Zug- und Weichenheizungen für einen zusätzlichen Leistungsbedarf. Mit wachsendem Verkehrsaufkommen und immer leistungsfähigeren Zügen nimmt der maximale Leistungsbedarf weiter zu. Damit kommen die bestehenden Kraftwerke und Frequenzumformer* langfristig an ihre Leistungsgrenzen.
Smarter Leistungsbezug statt neue Anlagen
Um die Züge auch weiterhin zuverlässig mit der nötigen Leistung versorgen zu können, setzt die SBB künftig auch auf eine Softwarelösung statt einzig auf zusätzliche Anlagen wie neue Frequenzumrichter. Konkret funktioniert die Software – die so genannte «Lastmanagement-Laststeuerung» – wie folgt:
Sobald sich eine hohe Auslastung – im Fachjargon «Lastspitze» genannt – im SBB Netz abzeichnet, werden Zug- und Weichenheizungen für bis maximal etwas 40 Sekunden automatisch ausgeschaltet. Der Energiebedarf der Heizungen wird so zeitlich verschoben – die Lastspitze also geglättet. Und das ganz ohne Auswirkung auf das Temperaturempfinden der Reisenden.
Praxisresultate überzeugen – Laststeuerung im Betrieb
Die SBB hat die Basisversion der Laststeuerung im vergangenen Winter auf Herz und Nieren geprüft. Die Grundfunktionen der Software haben einwandfrei funktioniert. Im vergangenen Jahr wurde die Laststeuerung für den produktiven Betrieb vorbereitet, der nun im Januar 2019 startet. Ab diesem Zeitpunkt können die ersten Weichen- und Wagenheizungen gesteuert werden.
Die SBB wird in den folgenden Jahren laufend weitere Wagen und Weichen an die Laststeuerung anbinden – bis 2023 soll die ganze Flotte ausgerüstet sein. Damit wird Smart Grid* – die intelligente Steuerung von Verbrauchern im Zusammenspiel mit der Stromerzeugung, und -speicherung – bei der SBB Realität.
Leistungsbedarf von 150‘000 Haushalten
Mit der ersten Etappe des Lastmanagements hat sich die SBB zum Ziel gesetzt, bis 2023 die maximalen Lastspitzen um 70 Megawatt zu senken. Dies entspricht ungefähr dem durchschnittlichen Leistungsbedarf von 150‘000 Haushalten. Gleichzeitig wird die SBB in den nächsten Jahren im Rahmen des Programms smartrail 4.0 prüfen, ob auch die elektrischen Motoren der Lokomotiven und Triebfahrzeuge in ähnlicher Weise beeinflusst werden können.
Vereinfacht gesagt:
In Zukunft soll Lastmanagement die Antriebsleistung der Züge kurzfristig einschränken können ohne dass Züge dadurch verspätet werden.
Höhere Verfügbarkeit – tiefere Kosten
Da die SBB sowohl Energie in eigenen Kraftwerken produziert, wie auch Energie verbraucht, kann sie Produktion und Verbrauch im eigenen Einflussbereich gezielt optimieren. Statt in zusätzliche und teure Stromproduktionsanlagen zu investieren, setzt die SBB auch auf Verbraucherseite an. Damit leistet sie gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Energiestrategie des Bundes.
Glossar
-
Smart Grid: Ein Smart Grid ist ein intelligentes Stromnetz, in dem Stromerzeuger, -speicher und -verbraucher miteinander kommunizieren und sich selber koordinieren.
-
Frequenzumformer: Normaler «Haushaltstrom» hat eine Frequenz von 50 Hertz (Hz). Der «Bahnstrom» hat eine Frequenz von 16,7 Hz – das ist historisch gewachsen. Die Wasserkraftwerke der SBB produzieren «Bahnstrom» mit 16,7 Hz. Der Energieverbrauch kann aber nicht zu jeder Zeit allein aus unserer Wasserkraft gedeckt werden. Deshalb kauft die SBB Energie aus dem «Landesnetz» zu und wandelt sie in den Frequenzumformern auf 16,7 Hz «Bahnstrom» um.