Arbeit am Tag, Arbeit bei Nacht: für jeden Moment das richtige Licht

Sie arbeiten am Tag oder in der Nacht: Viele Mitarbeitende der SBB leisten Schichtarbeit. Um die schädlichen Auswirkungen dieser Rhythmusänderungen abzuschwächen, setzt die Betriebszentrale West auf eine spezielle Beleuchtung. Diese soll die innere Uhr der Mitarbeitenden weniger beeinträchtigen.

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Lausanne, 1.23 Uhr morgens. Im Kommandoraum der Betriebszentrale West ist an Schlaf nicht zu denken. Die Fahrdienstleiter steuern den Zugverkehr – eine Aufgabe, die höchste Aufmerksamkeit erfordert. Alles ist wie immer an einem Ort, der niemals schläft. Die Betriebszentralen der SBB sind täglich rund um die Uhr besetzt. Das hat zur Folge, dass die Mitarbeitenden unregelmässige Arbeitszeiten haben und mal tagsüber, mal nachts im Einsatz sind.

Eine Herausforderung für den Biorhythmus

Diese Rhythmusänderungen und die Nachtarbeit stören den «zirkadianen Rhythmus», eine Art innere Uhr, die vor allem die Schlaf- und die Wachphasen regelt. «Das Licht spielt eine wichtige Rolle. Es beeinflusst verschiedene Hormone, vor allem das Melatonin, das wir zum Schlafen brauchen», erklärt Thierry Voutaz, Projektleiter für die Anforderungen der Mitarbeitenden der Betriebszentrale. Denn Licht verringert die Melatoninproduktion und hält den Körper wach.

Der Teufel steckt im Detail 

Reicht es also, die Räume nachts stärker zu beleuchten, damit die Mitarbeitenden nicht einschlafen? «Leider ist es nicht so einfach. Sie sollen zwar wach bleiben, aber gleichzeitig müssen wir vermeiden, dass sie nach Dienstschluss Probleme beim Einschlafen haben.» Hier kommt die sogenannte zirkadiane Beleuchtung ins Spiel. «Diese Art Beleuchtung soll den zirkadianen Rhythmus weniger stören als die herkömmliche Beleuchtung.» Dabei werden mehrere Faktoren berücksichtigt, insbesondere Lichtstärke und -temperatur. «Einfach gesagt: Die Temperatur des Lichts entspricht seiner Farbe. Sie variiert zwischen eher kalten, also blauen, und eher warmen, also orangen Farbtönen», sagt Thierry. Je bläulicher das Licht, desto mehr blockiert es die Melatoninproduktion und damit den Schlaf. Es gilt also, je nach Tageszeit das richtige Gleichgewicht zu finden. Und hier wird die Sache kompliziert, denn das «richtige Gleichgewicht» kann von Person zu Person unterschiedlich sein. «Das Alter einer Person und ihr individueller Biorhythmus sind wichtige Faktoren», erklärt Thierry. Die richtige Beleuchtung für mehrere Personen festzulegen erweist sich als echte Knacknuss. «Mittelfristig streben wir ergänzende individuelle Lösungen an. Ich denke da etwa an Einzelbeleuchtungen für jeden Arbeitsplatz, welche die Mitarbeitenden individuell einstellen können, sobald sie dafür geschult wurden.»

Gleiches Prinzip für die neue Betriebszentrale in Renens

Die Betriebszentrale in Lausanne setzt seit ihrer Einweihung im Jahr 2010 auf die zirkadiane Beleuchtung. Das Konzept hat sich bewährt. Deshalb, soll es auch in der neuen Betriebszentrale in Renens angewendet werden, deren Inbetriebnahme für Ende 2024 geplant ist. Dabei wird jedoch nicht einfach die bestehende Lösung übernommen. «In diesen mehr als zehn Jahren wurden viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum zirkadianen Rhythmus gewonnen, und die technischen Möglichkeiten haben sich stetig weiterentwickelt. Würden wir in Renens das gleiche Konzept wie in Lausanne anwenden, würden wir auf eine überholte Lösung setzen.» Zudem ist der Kommandoraum in Renens im Gegensatz zum Kommandoraum in Lausanne dem Tageslicht ausgesetzt. Dadurch wird es noch komplexer, den Raum jederzeit ideal zu beleuchten. «Die Leuchten sind nicht das Hauptproblem. Die grösste Herausforderung ist die Kommunikation zwischen den Leuchten und ihrem Regelungssystem. Letzteres muss auch das natürlich einfallende Licht einbeziehen.»

Bis zur Eröffnung der neuen Betriebszentrale haben Thierry und sein Team alle Hände voll zu tun. In den kommenden Monaten gilt es, die «ideale Beleuchtungskurve» zu verfeinern, technische Lösungen zu testen und zu bewerten, und schliesslich das neue System zu installieren.

Veröffentlichung der Ergebnisse

Die SBB arbeitet bei der Einführung und der Verbesserung der zirkadianen Beleuchtung eng mit den wissenschaftlichen Partnern des Zentrums für Chronobiologie der Universität Basel, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne und des Schweizer Zentrums für Elektronik und Mikrotechnik zusammen. Die SBB hat zugestimmt, dass die Forschungsergebnisse dieses Projekts veröffentlicht werden.