Von 90 auf 100 Prozent: Die SBB setzt auf erneuerbare Energien

Wie bleiben die Züge in Bewegung und die Bahnhöfe hell, ohne die Umwelt zu belasten? Strom ist das Lebenselixier der SBB – vom Bahnstrom, der Züge antreibt, bis zum Haushaltsstrom, der Bahnhöfe, Büros und Geschäfte versorgt. Expertin Sandra Schwander zeigt, wie die SBB ihre Energieversorgung fit für die klimafreundliche Zukunft macht.

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Die SBB gehört zu den grössten Stromproduzentinnen der Schweiz und ist gleichzeitig auch eine der grössten Stromverbraucherinnen. Wie sorgt die SBB dafür, dass sowohl die Energieproduktion als auch die Nutzung Umweltfreundlich bleiben?

«Die SBB betreibt das zweitgrösste Stromnetz der Schweiz – exklusiv für den Bahnbetrieb. Mit acht eigenen Wasserkraftwerken, fünf weiteren Beteiligungen, 70 Unterwerken und einem 1'800 Kilometer langen Leitungsnetz erzeugt die SBB jährlich rund 2000 Gigawattstunden Strom – genug, um 500 000 Haushalte ein Jahr lang zu versorgen. Ab dem 1. Januar 2025 wird der Bahnstrom vollständig aus nachhaltigen Quellen stammen. Bisher setzte er sich aus 90 Prozent Wasserkraft und 10 Prozent Kernenergie sowie einem kleinen Teil Photovoltaik zusammen.»

Warum macht die SBB den Schritt von 90 auf 100 Prozent erneuerbaren Bahnstrom?

«90 Prozent sind bereits eine beeindruckende Leistung, doch die SBB hat sich ambitionierte Umweltziele gesetzt, die nur mit 100 Prozent erneuerbarem Bahnstrom erreichbar sind. Es geht darum, einen bedeutenden Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, den Verbrauch fossiler Energien zu verkleinern und zugleich zu beweisen, dass umweltfreundliche Mobilität auch in grossem Massstab möglich ist. Mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie unterstützen wir zudem aktiv die Energieziele des Bundes.» 

Das klingt nach grossen Zielen. Wie will die SBB diese erreichen?

«Wir verfolgen einen dreistufigen Ansatz: Erstens erhöhen wir unsere eigene Energieproduktion, insbesondere mit Wasserkraft und Solarenergie. Zweitens decken wir den verbleibenden Bedarf durch den Zukauf von erneuerbarer Energie. Drittens optimieren wir den Energieverbrauch, etwa durch effiziente Technologien oder die intelligente Steuerung von Spitzenlasten. Ein Beispiel ist die ‹Grüne Welle›: Ähnlich wie Autos bei grünen Ampeln ohne Halt weiterfahren können, werden Züge so gesteuert, dass sie gleichmässig und ohne unnötige Stopps unterwegs sind. Das spart Energie und schont zugleich die Züge und die Infrastruktur.» 

Der Bahnstrohm wird grösstenteils mit Wasserkraftwerken produziert. Warum ist Wasserkraft für die SBB so zentral?

«Die Schweiz wird oft als ‹Wasserschloss Europas› bezeichnet, und die SBB nutzt dieses Potenzial seit über 100 Jahren. Wasserkraft ist umweltfreundlich, zuverlässig und flexibel. Wir betreiben acht eigene Wasserkraftwerke und sind an fünf weiteren beteiligt. Zusammen erzeugen sie rund 2000 Gigawattstunden Bahnstrom pro Jahr – das entspricht dem Jahresverbrauch einer Stadt wie Zürich. 

Ein Beispiel für ein solches Wasserkraftwerk ist das Etzelwerk am Sihlsee. Dieses Speicherkraftwerk, für das die SBB die Konzession besitzt, funktioniert wie ein riesiger Akku: Es speichert Wasser und erzeugt Strom genau dann, wenn er am dringendsten benötigt wird – etwa während Spitzenzeiten, wenn viele Züge gleichzeitig fahren, oder im Winter. Diese Flexibilität ist ein entscheidender Vorteil gegenüber anderen erneuerbaren Energiequellen. Das Etzelwerk allein liefert genug Strom, um eine Stadt wie Winterthur ein ganzes Jahr mit Strom zu versorgen.»

Wechseln wir die Energieform: Welche Rolle spielt Solarenergie in der Strategie der SBB?

«Solarenergie ergänzt unsere Wasserkraft. Bis 2040 wollen wir jährlich 160 Gigawattstunden Solarstrom produzieren – genug für 40 000 Haushalte. Ein Zwischenziel sind 100 Gigawattstunden bis 2030. Unsere Gebäude, insbesondere die Werkstätten, bieten dafür viel Potenzial. Die SBB war schon immer eine Pionierin in der Stromproduktion und hat bereits vor über 100 Jahren Massstäbe in der Elektrifizierung gesetzt. Auch heute treiben wir innovative Lösungen voran und prüfen laufend neue erneuerbare Energiequellen.»  

Wie garantiert die SBB eine stabile Energieversorgung im Winter?

«Wasserkraft ist vom Wetter abhängig, aber unsere Speicherseen helfen, Schwankungen auszugleichen. Sie speichern Wasser, das gezielt in Zeiten hoher Nachfrage zur Stromerzeugung genutzt wird. Zusätzlich setzt die SBB auf präzise Planung: Mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Stromverteilung kann der Energiebedarf sehr genau vorhergesagt werden. Um Versorgungslücken zu schliessen, wird frühzeitig zusätzliche Energie eingekauft – natürlich ausschliesslich aus erneuerbaren Quellen wie Wind-, Wasser- oder Solarenergie.» 

Wie verändert sich das Zugfahren für Kund:innen, wenn der Bahnstrom vollständig erneuerbar ist?

«Ab 2025 wird jede Zugfahrt zu einem noch grösseren Beitrag für den Umeweltschutz. Der Bahnstrom stammt dann zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien, was die Bahn zu einem Vorbild für nachhaltige Mobilität macht – sauberer, verantwortungsvoller und zukunftsorientiert.»

Wie sieht die langfristige Energiestrategie der SBB über 2025 hinaus aus?

«Die SBB wird ihr Bahnangebot weiter ausbauen, was trotz Effizienzbemühungen zu einem höheren Energiebedarf führen wird. Deshalb setzen wir auf den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der Optimierung unserer bestehenden Wasserkraftwerke sowie Solarenergie.

Bis 2030 wollen wir mit über 200 Massnahmen jährlich 850 Gigawattstunden Energie einsparen. Das schützt die Umwelt und sichert wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Langfristig streben wir an, den Energiebedarf des Bahnbetriebs im Winterhalbjahr zu 95 Prozent selbst zu decken. Dafür haben wir bereits 1’41 Milliarden Franken in Ausbau und Modernisierung investiert.»

Die Energiexpertin: Sandra Schwander

Sandra Schwander ist seit 2020 Teil der SBB und heute als Portfoliomanagerin Energiewirtschaft tätig. Ihre Karriere bei der SBB begann sie als Finance Business Partnerin im Bereich Energie Operations. Anschliessend vertiefte sie ihr Wissen und ihre Erfahrung durch ein Stage im Energiehandel. Sandra verfügt über einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre.

In ihrer aktuellen Rolle arbeitet sie an der Optimierung des Energieportfolios der SBB und begleitet Projekte zum Ausbau des eigenen Produktionsportfolios. Dabei liegt der Fokus auf der Sicherung der Versorgung, der Integration erneuerbarer Energien und der Nutzung innovativer Ansätze.

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