Nach einem coronabedingt schwierigen ersten Quartal hat sich die Nachfrage ab Mitte März mehrheitlich erholt: In den SBB Zügen und Bahnhöfen waren im ersten Halbjahr täglich 1,10 Millionen Kund:innen unterwegs (+43,9 Prozent ggü. 2021). Das Halbjahresergebnis fiel zwar besser aus als im ersten Halbjahr 2021 (−389 Millionen Franken), war jedoch mit −142 Millionen Franken weiterhin negativ. Der Fernverkehr war defizitär, bei SBB Cargo ist die Situation anspruchsvoll. Stabilisierend wirkten wiederum die Mieterträge Dritter von SBB Immobilien. Die finanzielle Lage wird sich durch stark steigende Energiekosten sowie die Inflation und höhere Zinsen weiter verschärfen. Für eine nachhaltige Finanzierung setzt die SBB ihr Sparziel von rund 6 Milliarden Franken bis 2030 weiter um und ergreift angesichts der drohenden Energiemangellage konkrete Massnahmen. Mit regionalen Unterschieden waren Kundenzufriedenheit und Pünktlichkeit gut, dies ist das Verdienst der Mitarbeitenden.
Der Krieg in der Ukraine, die unsicheren Lieferketten und die wirtschaftliche Grosswetterlage führen dazu, dass die finanzielle Lage der SBB auch nach den coronabedingten Einschränkungen angespannt bleibt. Die Nachfrage hat sich nach einem schwachen ersten Quartal seit Mitte März mehrheitlich erholt, seit Mai stagniert sie auf rund 10 Prozent tieferem Niveau als vor der Pandemie. Im ersten Halbjahr 2022 waren insgesamt täglich 1,10 Millionen Passagiere im Regional- und Fernverkehr unterwegs, 43,9 Prozent mehr als 2021, aber immer noch 15,1 Prozent weniger als vor der Corona-Pandemie 2019. Bei einigen Destinationen, v.a. im internationalen (Nachtzug-)Verkehr, wählen immer mehr klimabewusste Reisende den Zug, die Nachfrage liegt im 50. Jubiläumsjahr von Interrail teilweise sogar über dem Niveau von 2019. Hier sieht die SBB bei der Pünktlichkeit und dem internationalen Ticketing Nachholbedarf.
Im Sommer 2022 transportierte die SBB Reisende in 600 Extrazügen durch die «Festhütte Schweiz» an Veranstaltungen, u.a. Bundeslager Pfadi, Schwingfest, Konzerte. Der Freizeitverkehr ist während der Pandemie stärker zurückgegangen als der Pendlerverkehr, hat sich jedoch wieder besser erholt. Generell ist feststellbar, dass immer mehr Menschen in der Freizeit mit dem Zug reisen, hingegen hat der Pendlerverkehr abgenommen. Gemäss ihrer Strategie 2030 will die SBB ihr Angebot deshalb kundenorientiert in Richtung mehr Freizeitverkehr weiterentwickeln (z.B. Vos Alpes Express im Winter, zusätzliche Wochenend-Verbindungen im Sommer von Zürich ins Tessin und zurück).
Gut neun von zehn Reisenden kauften ihr Billett digital oder am Billettautomaten. Ende Juni 2022 waren 413 000 GA im Umlauf, das sind 4,4 Prozent mehr als 2021 (−16,3 Prozent ggü. 2019). Bei den Halbtaxabonnementen waren rekordhohe 2,9 Millionen Stück im Umlauf, das sind 7,6 Prozent mehr als im Juni 2021 (+9,6 Prozent ggü. 2019).
Stark steigende Energiekosten – SBB will 6 Milliarden sparen
Dank mehr Kund:innen steigen die Erträge erfreulicherweise langsam wieder. Der Halbjahresverlust fiel mit −142 Millionen Franken tiefer aus als im ersten Halbjahr 2021 (−389 Millionen Franken). Doch die finanzielle Lage bleibt angespannt: Der eigenwirtschaftliche Fernverkehr war weiterhin defizitär und belastet das Halbjahresergebnis mit −123 Millionen Franken.
Die SBB fährt mit 90 Prozent Anteil Wasserkraft – mehrheitlich aus eigenen Kraftwerken. Aktuell produziert sie aufgrund der Trockenheit und der tiefen Pegelstände der Stauseen weniger Energie. Damit die SBB auch in einer Mangellage eigenen Strom erzeugen und damit das Bahnangebot grösstmöglich aufrechterhalten kann, hält sie ihre Stauseen derzeit möglichst gefüllt. Dazu muss die SBB Ersatzenergie zu stark steigenden Kosten am Markt beschaffen. Dies hat sich bereits im ersten Halbjahr negativ aufs Ergebnis des Bereichs Infrastruktur Energie ausgewirkt (2022: −24,2 Millionen Franken; 2021: +17,5 Millionen Franken). Die Situation hat sich im Sommer verschärft und wird das Jahresergebnis 2022 stark belasten. Das Hintergrunddossier enthält weitere Informationen zum Thema Engergiemangellage.
Sowohl SBB Cargo Schweiz (−34 Millionen Franken) als auch SBB Cargo International (−3,8 Millionen Franken) schrieben im ersten Halbjahr 2022 einen Verlust. Die Verkehrsleistung ist bei SBB Cargo Schweiz praktisch unverändert geblieben (−2,8 Prozent), bei SBB Cargo International nahm sie um −4,6 Prozent ab. Der Wagenladungsverkehr kann nach wie vor nicht eigenwirtschaftlich betrieben werden. Bei SBB Cargo Schweiz wurden Effizienzsteigerungen durch Volumenrückgänge neutralisiert. Zudem ist im Vergleich zum Vorjahr die Covid-Entschädigung entfallen. Bei SBB Cargo International führten unter anderem Bauarbeiten und Störungen in Deutschland sowie Strommehrkosten zum negativen Abschluss.
Stabilisierend wirkten wiederum die Mieterträge Dritte von SBB Immobilien: Diese übertrafen im ersten Halbjahr 2022 das Vorjahr mit +10,4 Prozent (319 Millionen Franken; 2021: 289 Millionen Franken).
Herausfordernd bleibt die Verschuldung: Diese liegt mit 11,3 Milliarden 30,6 Prozent höher als 2019, der Schuldendeckungsgrad beträgt zum Ende des ersten Halbjahres 10,2 (vom Bund erwartet: 6,5 per 2030).
Nachdem das Parlament in der Sommersession eine Motion für eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für Covid-Verluste verabschiedet hat, überarbeitet der Bund mit der SBB derzeit das gemeinsam geschnürte Stabilisierungspaket für eine nachhaltige Finanzierung. Dessen Wirkung ist frühestens ab 2023 zu erwarten. Unabhängig davon setzt die SBB Sparmassnahmen in der Höhe von rund 6 Milliarden Franken wie geplant bis 2030 um, zum Beispiel durch Kosteneinsparungen in den administrativen oder Effizienzsteigerungen in den operativen Bereichen, insbesondere mithilfe der Digitalisierung. Ziel ist, Massnahmen mit negativen Auswirkungen auf Kund:innen und Mitarbeitende zu vermeiden.
SBB Mitarbeitende machen die Bahn pünktlich, zuverlässig, sicher
Die betriebliche Lage war im ersten Halbjahr 2022 mehrheitlich stabil. 2022 beginnen mit 263 Personen so viele Lokführer:innen ihre Ausbildung wie nie zuvor – die angespannte Situation beim Lokpersonal hat sich normalisiert. Die Züge verkehrten mehrheitlich zuverlässig, wobei die Verfügbarkeit insbesondere im Tessin und in der Westschweiz nicht zufriedenstellend war. Die Zug- und Anschlusspünktlichkeit (2022: 93,1 bzw. 98,8 Prozent; 2021: 92,7 bzw. 99,0 Prozent) und die Kundenzufriedenheit Privatkunden (2022: 80,7; 2021: 81,8 Punkte von jeweils 100 Punkten) waren regional unterschiedlich, aber insgesamt gut. Damit die Züge auch künftig pünktlich, zuverlässig und stabil verkehren, prüft die SBB verschiedene Möglichkeiten. So sollen in der Westschweiz in Absprache mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und den Kantonen ab 2025 mehr Reserven für die zahlreichen Baumassnahmen in den Fahrplan eingebaut werden. Eine Arbeitsgruppe erarbeitet derzeit umsetzbare Lösungen
Der Zug ist ein sehr sicheres Verkehrsmittel – die Arbeitssicherheit bleibt aber ein Aufpassfeld: Im Vergleich zu 2021 ereigneten sich im ersten Halbjahr 2022 mehr Zug- und Rangierunfälle. Im ersten Halbjahr 2022 haben zwei Mitarbeitende ihr Leben verloren. Die Unfälle treffen die gesamte SBB sehr. Sie verpflichtet sich weiter, bei der Sicherheit keine Kompromisse einzugehen.
Energiekrise, Klima, Cargo – das zweite Halbjahr bleibt herausfordernd
Die SBB befasst sich zurzeit intensiv mit der drohenden Strom- und Gasmangellage. Gemeinsam mit dem Bund und der Branche werden Szenarien für den ÖV und konkrete Vorbereitungsmassnahmen ausgearbeitet. Die SBB beleuchtet und beheizt ihre Gebäude weniger, dreht das Warmwasser in Büros ab und stellt erste Anlagen von Gas auf Öl um. Damit spart sie Strom und 15 Prozent ihres Gasverbrauchs ein. Weiter verzichtet die SBB auf Weihnachtsbeleuchtung, die Beleuchtung von Fassaden und SBB Logos.
Die SBB trägt massgeblich zum Erreichen der Klimaziele des Bundes bei. Sie will einen Beitrag leisten, die Mobilität in der Schweiz gesamtheitlich weiterzuentwickeln und die Kombination der Bahn mit anderen Verkehrsträgern zu fördern. Gemeinsam mit Standortgemeinden entwickelt die SBB bahnhofsnahe Areale zu attraktiven Quartieren und fördert so den Zugang zur Bahn. Jüngstes Beispiel: Der im Mai eröffnete «Parc du Simplon» in Renens (VD) als neuer Hauptsitz der SBB in der Romandie. Aktuell wird die zukünftige Ausrichtung des Binnenschienengüterverkehrs diskutiert. Die SBB wird ihre Überlegungen dazu in den nächsten Wochen präsentieren.