Bähnler im Herzen: Ein halbes Jahrhundert im Dienst der SBB

Er ist einer von rund 50 Kolleginnen und Kollegen, die dieses Jahr ihr 48. Dienstjahr bei der SBB feiern: Antonino Catalano. Der Chef Kundenbegleiter blickt auf eine prägende Zeit zurück und sagt, wieso er nie ein anderes Unternehmen gewählt hätte.

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Garstiges Wetter, Kälteeinbruch im April. Draussen ist es kalt, doch Antoninos Begrüssung lässt die Sonne aufgehen: sie ist warmherzig, freundschaftlich, lachend. Man merkt schnell: Dieser Mann hat das Herz am rechten Fleck. Antonino Catalano, gebürtiger Italiener, in der fünften Primarschulklasse von den italienischen Eltern in die Schweiz geholt, wird heuer pensioniert. Nach 47 Jahren und acht Monaten im Dienst der SBB.

Der Beruf wird zur Lebensschule

Es ist der 18. August 1974, der 15-jährige Antonino startet seine Lehre als Betriebsarbeiter, lernt die Basis der Eisenbahn kennen – Wagen reinigen und kontrollieren, Gepäckdienst leisten, Rangiermanöver üben. «Mein Vater hat sich und die ganze Familie einbürgern lassen, nur damit ich bei der SBB arbeiten durfte», erzählt Antonino stolz. Was heute fast unvorstellbar ist, war damals Pflicht: Die Schweizer Staatsbürgerschaft als Bedingung für einen Arbeitsvertrag bei den Bundesbahnen. Ein besonderer Moment sei es gewesen, als er zum Staatsbeamten und Mitglied der SBB Familie ernannt wurde: «Fast wie ein Ritterschlag hat es sich angefühlt.» Nur schon deshalb sei es für ihn immer unvorstellbar gewesen, jemals für eine andere Firma zu arbeiten.

Quelle: SBB

Zwei Jahre nach Lehrantritt wechselt Antonino nach Genf. «Ich war ja jetzt bei der SBB, da musste ich Französisch lernen.» Er leistet Informationsdienst auf dem Perron, stellt Tafeln, bereitet die Couchetten für die Reisenden nach Frankreich vor, heizt Wagen.

Nochmals zwei Jahre später beginnt er in Biel die Ausbildung zum damals sogenannten Kondukteur. «Von 12 Schulkameraden waren wir 10 Walliser», erzählt er und lacht aus vollem Leibe. Er kehrt 1980 zurück nach Hause ins Depot Brig, es folgen viele Jahre im Zug; zuletzt als Chef Kundenbegleiter, wie die Berufsbezeichnung heute heisst.

Vom Kundenbegleiter zum Zuhörer

Der Kontakt mit den verschiedenen Menschen sei immer das gewesen, was er an seinem Beruf liebte: «Einmal hat mir eine Frau, die von Interlaken nach Basel unterwegs war, ihre gesamte Lebensgeschichte erzählt.» Eigentlich sei er als Kundenbegleiter auch eine Art Seelenklempner.

«Es gibt mir viel zurück, wenn ich jemandem helfen konnte.»
Antonino Catalano

Das Zuhören ist bis heute Antoninos Stärke. Privat in Schamanenkreisen unterwegs, hat ihn das Spirituelle und Emotionale auch bei der Arbeit gepackt. So durfte er 2010 eine fünftägige Ausbildung fürs SBB Care Team absolvieren. Bis heute ist er im freiwilligen Dienst, leistet psychologische Unterstützung für Kolleginnen und Kollegen, die nach einem Eisenbahnunglück oder Arbeitsunfall Erlebnisse verarbeiten möchten. «Es gibt mir viel zurück, wenn ich jemandem helfen konnte», sagt Antonino und wirkt dabei nachdenklich, dennoch zufrieden.

Nach fast einem halben Jahrhundert ist nun also Schluss. Nicht jedoch mit dem Bahnfahren: «Im Zug zu sitzen und aus dem Fenster zu schauen, finde ich auch nach all den Jahren etwas vom Schönsten», schwärmt Antonino. Er wirkt ausgeglichen, freut sich auf den neuen Lebensabschnitt, der gefüllt sein soll mit Büchern und Fotografie. Nach seiner Pensionierung werde er das freiwillige Engagement als Care-Mitarbeiter nicht offiziell weiterführen, doch seine Kolleginnen und Kollegen wissen: Er hat immer ein offenes Ohr für sie. «Schliesslich habe ich bald so viel Zeit zuzuhören wie noch nie.»