Rund 200 Einsatzkräfte und knapp 300 Figurantinnen und Figuranten aus der ganzen Schweiz und dem angrenzenden Ausland haben Samstagnacht die Evakuation und Selbstrettung aus dem Ceneri-Basistunnel geübt. Im Zentrum der Rettungsübung «Sare» stand die Überprüfung der Rettungsabläufe innerhalb und ausserhalb des Tunnels. Wie die Übung verlief, beantwortet Daniel Schlup, Projekt- und Übungsleiter der SBB.
Daniel Schlup ist Leiter Notfall- und Krisenmanagement und arbeitet seit über sieben Jahren bei der SBB. Vorher war er über 20 Jahre Berufsoffizier bei der Schweizer Armee. Bereits im Gotthard-Basistunnel verantwortete Daniel Schlup als Übungsleiter vier Rettungsübungen. Während des Lockdowns im Frühling leitete er die Kerngruppe Pandemie Plus.
Erst die grossen Rettungsübungen im Gotthard-Basistunnel, nun die Übung im Ceneri, dem kleinen Bruder. Wie verlief sie?
Die Rettungsübung verlief gut und unfallfrei. Das ist für uns sehr wichtig. Die SBB konnte beweisen, dass im Ereignisfall die Abläufe des Alarm- und Rettungskonzepts im Ceneri-Basistunnel nicht nur theoretisch, sondern in der Praxis funktionieren. Die Vorgaben sind erfüllt und der Mischbetrieb von Fern- und Regionalverkehr und Güterverkehr kann wie geplant ab Montag 12. Oktober 2020 starten. Damit beginnt Phase 3 im Probebetrieb und es heisst weiter üben, üben, üben. In den verbleibenden Monaten müssen wir die noch bestehenden internen Auflagen abarbeiten und Verbesserungsmassnahmen umsetzen. Das packen wir jetzt an.
Welchen Einfluss hatten die Entwicklungen rund um Corona?
Ich bin froh, konnten wir jetzt den Ernstfall trotz erschwerten Bedingungen üben. Geplant war die Rettungsübung ursprünglich im Juni. Wegen Corona mussten wir jedoch die ganze Übung verschieben, was zu einer komplett neuen Planung und beträchtlichem Mehraufwand führte. Unter anderem mussten wir zusätzlich ein Corona-Schutzkonzept erarbeiten. Der Aufwand hat sich gelohnt und ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten für ihren grossen Einsatz bedanken.
Wie setzte man die Corona-Schutzmassnahmen schliesslich um?
Eine solche Übung unter den aktuellen Bedingungen durchzuführen, war eine grosse Herausforderung. Zentral dabei war der Schutz aller Beteiligten. Zu den Schutzmassnahmen gehörten die allgemeine Maskenpflicht während der gesamten Übung, das Einhalten der Abstände und Hygienevorschriften, sowie das Fiebermessen beim Check-In. Alle Beteiligten hielten sich vorbildlich an die Massnahmen.
Das umfassende Schutzkonzept erarbeiteten wir gemäss den aktuellen Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit und des Kantons Tessin. Zusammen mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz (AGS) und in enger Abstimmung mit dem Chief Medical Officer der SBB setzten wir das Konzept um.
«Sicherheit ist das oberste Gut der SBB. Entscheidend ist dabei die Zusammenarbeit der internen und externen Einsatzkräfte.»Daniel Schlup
Wozu braucht es eine Rettungsübung? Was genau wird geübt?
Vor jeder Inbetriebnahme muss die SBB beweisen, dass die im Sicherheitskonzept erarbeiteten Prozesse und Abläufe in einem Ernstfall funktionieren. Sicherheit ist das oberste Gut der SBB. Entscheidend ist dabei die Zusammenarbeit der internen und externen Einsatzkräfte. Nur wenn alle Prozesse reibungslos funktionieren, können wir beispielsweise die Rettungszeiten einhalten. Getestet werden zudem die Kommunikation zwischen der Betriebszentrale in Pollegio und den Blaulichtorganisationen im Kanton Tessin, die Lautsprecherdurchsagen im Zug, sowie die Beschilderung im Tunnel.
Wer war bei der Übung involviert?
Insgesamt wurden rund 200 Personen beübt. Dazu zählen die Vertreter der Blaulichtorganisationen des Kantons Tessin (Feuerwehr, Sanität und Polizei). Beteiligt waren auch der Zivilschutz und die Sanitätsschule in Airolo. Von der SBB im Einsatz waren die Intervention, die Transportpolizei, die gesamt Betriebsorganisation (BZ Süd), das Notfall- und Krisenmanagement der SBB inklusive rund 20 Beobachterinnen und Beobachter, die die Rettungsübung dokumentierten. Mehr als die Hälfte der knapp 300 Figurantinnen und Figuranten kamen aus dem Tessin und Italien, die restlichen reisten von der Deutschschweiz und aus Deutschland an. Damit konnten wir eine weitere wichtige Vorgabe erfüllen, denn auch die Mehrsprachigkeit der Durchsagen und Beschilderungen muss gewährleistet sein.
Was unterscheidet den Ceneri vom Gotthard-Basistunnel? Worin liegen die Herausforderungen?
Im Ceneri kommen im Unterschied zum Gotthard-Basistunnel unbegleitete TILO-Züge im Regionalverkehr zum Einsatz. Darum ist im Sicherheitskonzept die sogenannte Selbstrettung vorgesehen. In einem unbegleiteten Regionalzug leitet und führt kein Zugchef die Reisenden an. Sie müssen selbst den Anweisungen über die Durchsagen im Zug und der Beschilderung im Tunnel folgen und den nächstgelegenen sicheren Bereich aufsuchen.
Was bleibt dir von dieser Übung in Erinnerung?
Die Motivation und die Einsatzbereitschaft aller Beteiligten während der Vorbereitung und Durchführung war unglaublich hoch. Vor allem freute ich mich zu sehen, wie gross der Zusammenhalt zwischen den internen und externen Beteiligten war. Wie der Gotthard ist auch der Ceneri-Basistunnel ein Teil eines Jahrhundertwerks in Europa, der NEAT. Dazu einen wesentlichen Sicherheitsbeitrag leisten zu können, das spornt mich an. Ich freue mich, dass es gelungen ist, die Übung gut und unfallfrei durchzuführen.
Zahlen und Fakten zum Ceneri Basistunnel
Bauzeit: 12 Jahre
Länge: 15,4 Kilometer
Einspurröhren: 2
Nordportal: Camorino (Bellinzona, TI)
Südportal: Vezia (bei Lugano, TI)