EW IV: SBB passt Abfertigungsprozess von Zügen an

Ab Ende September wendet das Personal Kundenbegleitung bei Zügen mit EW-IV-Türen und ähnlichen Türsystemen einen angepassten Abfertigungsprozess an. Sie erteilen die Abfahrerlaubnis erst, nachdem alle Türen geschlossen sind. Dadurch wird die Sicherheit weiter erhöht.

Lesedauer: 5 Minuten

Stand: 23. September 2019

Das Sicherheitsniveau der EW-IV-Türen wird auf das Level modernerer Züge erhöht. Dazu sind in den kommenden Jahren umfangreiche Arbeiten notwendig. Die SBB hat in Abstimmung mit den Sozialpartnern entschieden, dass der Abfertigungsprozess bis zum Abschluss der laufenden und zusätzlich geplanten technischen Arbeiten an den EW-IV-Türen ab Ende September angepasst wird. Bei Zügen mit diesen Türen oder ähnlichen Türsystemen betätigen die Kundenbegleiterinnen und -begleiter die zentrale Türschliessung mit dem Zeigersprung. Die Türschliessung beobachten sie von ausserhalb des Zugs und erteilen die Abfahrerlaubnis erst, nachdem sie eingestiegen sind und auch ihre Einstiegstüre geschlossen ist. Dadurch wird die Sicherheit für das Personal und die Reisenden weiter erhöht.

Die Änderung betrifft Re460-Pendelzüge und von Loks gezogene Kompositionen. Modernere Zugtypen verfügen über zusätzliche Sicherheitselemente in den Türschliesssystemen. Deshalb wird bei allen anderen Zügen weiterhin der Standardprozess angewendet.

Die Anpassung dieses Prozesses ist eine Massnahme, welche die SBB unabhängig von der noch laufenden Untersuchung des Unfalls eines Chefs Kundenbegleitung Anfang August umsetzt.

Stand 2. September 2019

  • Beim erwähnten Sachverhalt im «Sonntagsblick» vom 1. September 2019 geht es nicht um einen nicht funktionierenden Einklemmschutz, sondern um einen Mangel, der in seltenen Fällen zu einer spaltbreit geöffneten Türe führen kann.

  • Wie die SBB in der Medienmitteilung vom 23. August 2019 festgehalten hat, war dem Personenverkehr dieser Mangel bereits vor dem Unfall von Anfang August bekannt. Der Personenverkehr hat dann auch vor dem Unfall im Juli 2019 damit begonnen, diesen Defekt mit dem Einbau eines Türblattkontrollschalters auszuschliessen.

  • Es ist nicht korrekt, dass der Einbau des Türblattkontrollschalters hinausgeschoben wurde. Ein solcher Einbau ist komplex und muss genau geprüft werden. Im Rahmen des gesamten Umsetzungsprozesses werden technische, finanzielle, operative und rechtliche Fragen geklärt und bewilligt. Dabei kann es aus unterschiedlichen Gründen zu längeren Durchlaufzeiten kommen.

  • Ob der Sachverhalt in Zusammenhang mit dem Unfall von Anfang August steht, kann nicht beantwortet werden. Der genaue Unfallhergang ist noch nicht bekannt und Gegenstand der SUST-Untersuchung.

  • Ein Zwischenfall im Zusammenhang mit einer spaltbreit offenen Türe ist der SBB aktuell nicht bekannt.

  • Die vorletzte Woche bekannt gegebenen Auflagen des BAV setzt die SBB fristgerecht um; die Sofortmassnahmen und die weiteren, auch vom BAV verlangten Anpassungen gewährleisten die Sicherheit von Reisenden und Mitarbeitenden. In einer weiteren Medienmitteilung am 29. August 2019 hat die SBB nochmals über das Massnahmenpaket zu den EW IV Wagen informiert. Dieses ist von der unabhängigen Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST und dem Bundesamt für Verkehr (BAV) überprüft und bestätigt worden.

Sicherheit ist das höchste Gut für SBB Mitarbeitende und Kunden und das zentrale Ziel der neun Konzernziele. Die SBB unternimmt alles sinnvoll Mögliche, damit Reisende und Mitarbeitende stets sicher sind. Obwohl die genaue Unfallursache noch nicht vorliegt (siehe Box), hat die SBB nach dem Unfall vom 4. August Sofortmassnahmen eingeleitet.

Abfertigungsprozess überprüft

Die SBB hat den bestehenden Abfertigungsprozess überprüft und auch den Sozialpartnern erläutert. Resultat: Der Abfertigungsprozess ist für Mitarbeitende und Reisende sicher. Er bewährt sich in der Praxis. Die Kundenbegleiterinnen und -begleiter der SBB fertigen täglich tausende Züge ab. Am Wochenende hat die SBB sämtliche Kundenbegleiterinnen mit einem Schreiben nochmals über den genauen Prozessinhalt informiert. Dieser Prozess wird auch in der Ausbildung geschult. Jede Kundenbegleiterin, jeder Kundenbegleiter hat eine entsprechende Checkliste bei sich.

Stephan Spörri, Chef Kundenbegleiter und Fachleiter PEX, demonstriert in der Bilderstrecke den Abfertigungsprozess.

Sonderkontrolle beschlossen

Alle sieben bis zehn Tage kommen die Einheitswagen (EW) IV in die Instandhaltung. Dort prüfen Techniker standardmässig den Einklemmschutz bei allen Türen. Ausserdem führt die SBB in regelmässigen Abständen Unterhaltsarbeiten an den Türen aus. So wird zum Beispiel alle 240 Tage der Antrieb geschmiert. Die SBB hat beschlossen, aufgrund des tragischen Unfalls diese Prüfung zu erweitern und eine Sonderkontrolle der EW IV durchzuführen. Dabei werden alle Sicherheitselemente der Einstiegstüren kontrolliert und bei Feststellen von Fehlern instandgesetzt. Es wird voraussichtlich sechs bis sieben Wochen dauern, bis alle Wagen kontrolliert sind. Pro Tag werden 15 bis 20 Wagen kontrolliert.

Versteckter Mangel aufgetaucht

Aufgrund des Unfalls analysiert die SBB zurzeit die gesamte Einklemmschutz Technik im Detail. Dabei haben erste Tests einen bisher versteckten Mangel zutage gefördert: Dieser hat zur Folge, dass der Einklemmschutz bei EW-IV-Wagen im so genannten UIC-Modus zwar funktioniert, aber weniger sensibel reagiert als vorgegeben. Im UIC-Modus leitet der Kundenbegleiter den Schliessvorgang aller noch offener Türen ausser der eigenen ein, nachdem er sich vergewissert hat, dass alle Reisenden eingestiegen sind.

Die SBB hat das BAV und die SUST über diesen bisher versteckten Mangel informiert. Die SBB ist daran, die Ursache zu finden, um den Mangel zu beheben. Gemäss jetzigem Wissensstand und der Sicherheitseinschätzung der SBB ist es nicht nötig, alle EW IV-Wagen ausser Betrieb zu nehmen. Zum tragischen Unfall vom 4. August 2019, bei dem ein Chef Kundenbegleiter sein Leben verlor, besteht gemäss dem heutigen Stand der SUST-Untersuchung kein Zusammenhang.

Sofortmassnahmen gewährleisten die Sicherheit

Die SBB hat eine Taskforce zur Koordinierungder Arbeiten eingesetzt, Die Sofortmassnahmen, welche die SBB bis jetzt beschlossen hat, gewährleisten nach heutigem Kenntnisstand die Sicherheit von Reisenden und Mitarbeitenden. Die Taskforce wird diese Einschätzung aufgrund der Sonderkontrollen und Untersuchungen der SUST laufend überprüfen. Sollte sich die heutige Einschätzung verändern, wird die SBB geeignete Massnahmen ergreifen, unabhängig von den Auswirkungen auf den Betrieb.

Die EW IV-Wagen stehen voraussichtlich noch bis in die 2030er-Jahre im Einsatz – ab den 2020ern nur noch als Verstärkungsmodule zusammen mit IC2000. Entsprechend werden dann noch rund 200 Fahrzeuge im Einsatz stehen. Die Zeitspanne hat keinen Zusammenhang mit den Verzögerungen bei der Einführung des FV-Dostos. Seit einiger Zeit führt die SBB an den EW IV im Werk Olten werterhaltende Massnahmen aus. Sie beseitigt Korrosionen, setzt Komponenten instand und lackiert die Wagenkästen neu. Aus Kapazitätsgründen finden dieselben Arbeiten an weiteren 93 Wagen ab 2020 voraussichtlich in Deutschland statt.

SBB-Rollmaterial der neuen Generation verfügt im Bereich der Türen über weitere Sicherheitselemente wie Lichtschranken und Sensoren.

Unfalluntersuchung erfolgt durch Staatsanwaltschaft und SUST

Die Staatsanwaltschaft und die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST untersuchen den tragischen Unfall vom 4. August. Unabhängig davon führt die SBB eigene Analysen durch. Nach ersten Aussagen der SUST war der Einklemmschutz der betroffenen Wagentür zum Zeitpunkt des Unfalls nicht funktionsfähig.
Der Grund dafür ist Gegenstand der laufenden Untersuchung. Die SBB hat den betroffenen Wagen am 31. Juli zum letzten Mal kontrolliert und keine Auffälligkeiten festgestellt. Die SUST hat der SBB nach der Überprüfung des Wagens keine Sofortmassnahmen angeordnet.