Nachhaltigkeit wird wichtiger Faktor in der Beschaffung

Eine nachhaltige Beschaffung wird in der Wirtschaft und der Politik immer wichtiger. Das führt zu grundlegenden Veränderungen in den Gesetzen und in der Beschaffungskultur. Welche das sind und wie sich die SBB diesbezüglich aufstellt, wurde am dritten Treffen der «Responsible Leaders» diskutiert.

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Im Hinblick auf die Konzernverantwortungsinitiative, die nun langsam auf das politische Parkett kommt, und im Zusammenhang mit dem Greta-Effekt, ist das Thema der nachhaltigen Beschaffung aktueller und wichtiger denn je. Laut Kathrin Amacker, welche zum Anlass «Responsible Leaders» eingeladen hat, sieht sich die SBB hier in besonderer Verantwortung: Mit einem Volumen von fünf Milliarden Franken pro Jahr ist sie eine der grössten Bestellerinnen in der Schweiz. 87 Prozent der Bestellungen tätigt sie über Schweizer Firmen, deren Lieferketten sich jedoch über den ganzen Erdball erstrecken. Grund genug, dem Kader mit grossen Entscheidungskompetenzen das Thema näher zu bringen.

Das öffentliche Beschaffungswesen in Mitten grosser Veränderungen
Grosse Veränderungen stellen das öffentliche Beschaffungswesen auf den Kopf. Ein Paradigmenwechsel ist im Gang. Marc Steiner, Bundesverwaltungsrichter erklärt, dass nicht mehr der Preis allein über das beste Angebot bestimmt: Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit rücken in den Vordergrund. Wie kam es dazu? «Der Druck kommt nicht wie so oft von den linken NGOs, sondern von den Anbieterverbänden. Sie wollen weg von der seit den 90er Jahren vorherrschenden Philosophie der Marktöffnung, bei der es vor allem um den Preis geht», so Marc Steiner weiter. Dieser Paradigmenwechsel ist nun auch im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen BöB (Stand Juni 2019) sichtbar. Darin zeigt sich klar, dass mit dem neuen Gesetz ein Anreizsystem geschaffen wird, bei dem der Preis nicht mehr das Mantra ist.

«Dieses Gesetz bezweckt unter anderem den wirtschaftlichen und den volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel sowie die Transparenz des Vergabeverfahrens»
Marc Steiner, Bundesverwaltungsrichter

Der Mut zur Verantwortung muss belohnt werden
Mehr Qualitätswettbewerb und Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, dass die Auftraggeberseite bereit ist, für bessere Qualität mehr zu bezahlen. Sie muss laut Marc Steiner auch quantitativ und qualitativ genügend Personal haben, um intelligentes Nachfrageverhalten sicherzustellen. Dazu braucht es keine risikoaverse Betriebskultur, keine Scheu vor Angriffsflächen und dass der Mut zur Verantwortung belohnt wird.

«Die Vergabekultur muss so sein, dass die Einkäufer sich nicht in einem «cover my ass»-Anreizsystem wahrnehmen, sondern sehen, dass der Mut zur Verantwortung belohnt wird.»
Marc Steiner, Bundesverwaltungsgericht

Nachhaltige Beschaffung bei der SBB – wo steht sie und wo will sie hin?
Die nachhaltige Beschaffung ist bereits seit 2014 in der SBB Nachhaltigkeitsstrategie verankert und somit Teil des Daily Business, betont Stephan Pfuhl, Leiter Supply Chain Management. «Die SBB ist auf einem guten Weg, da wir schon heute bei den meisten Ausschreibungen Qualitätskriterien mit einbringen», betont Stephan. Das reicht aber bei weitem nicht aus. Die SBB hat in den letzten Jahren angefangen, sich dem Ziel einer nachhaltigen Beschaffung mit folgenden drei Stossrichtungen zu nähern:

  • Strategien: Ökologische und soziale Aspekte werden in die Warengruppenstrategien integriert und sollen sich schliesslich bei Ausschreibungen in den Vergabekriterien niederschlagen.

  • Brancheninitiativen und Bewertungsstandards: Die SBB wendet seit 2017 den international führenden Bewertungsstandard bei der Nachhaltigkeit «Ecovadis» für ihre Lieferanten an. Bereits 56 Lieferanten wurden zertifiziert und entsprechen den Nachhaltigkeitsanforderungen (entspricht ungefähr 30 Prozent des Beschaffungsvolumens (1,5 Milliarden Franken). Weitere 100 Lieferanten sind derzeit in der Zertifizierungsphase. Ziel ist es, insgesamt rund 60 Prozent des Beschaffungsvolumens durch ein Ecovadis-Zertifikat abzudecken und damit die Nachhaltigkeit bei kritischen Warengruppen für die SBB sicherzustellen. Zudem schliesst sich die SBB mit anderen Unternehmen der Bahnbranche zusammen und nutzt Synergieeffekte bei der Nachhaltigkeitsbewertung der Lieferanten. Bei identifizierten Verbesserungspotenzialen bei Lieferanten im Rahmen jährlicher Bewertungen werden Audits vor Ort durchgeführt. Dies kann dazu führen, dass Lieferanten, die den Nachhaltigkeitsanforderungen der SBB nicht entsprechen, ausgelistet werden.

  • Weiterbildung der Mitarbeitenden: Schulungen und Sensibilisierung der Mitarbeitenden im Einkauf wie auf Seite der Besteller unterstützen die Umsetzung und den Kulturwandel.

«Der Einkauf der Zukunft steht nicht nur für Kostensenkung. Die Nachhaltigkeit wird in Zukunft bei der Beschaffung eine noch wichtigere Rolle einnehmen. Hier sind wir alle gefordert: Business, Einkauf und Lieferanten.»
Stephan Pfuhl, Leiter Supply Chain Managememnt SBB

SBB kann Pionierrolle übernehmen
Dieser Paradigmenwechsel wird sich auf die gesamte Beschaffungskultur und Zusammenarbeit in der Wirtschaft auswirken. In diesem Zusammenhang stehen vor allem die Führungskräfte in der Verantwortung. Denn die Beschaffungskultur prägt jedes Unternehmen selber, das Gesetz bietet lediglich den Rahmen. Jetzt gilt es, die offenen Spielräume für Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit zu nutzen und die Erneuerung der Vergabekultur voranzutreiben. Marc Steiner betont, dass nun Unternehmen gefragt sind, die genug agil sind, um genau diese Veränderungen in die Hand zu nehmen und voranzutreiben. Und aus seiner Sicht ist die SBB ein Unternehmen, die diese Dinge in der Pionierrolle anpacken und umsetzen kann.

Netzwerk «Responsible Leaders»
Das Thema Nachhaltigkeit ist Teil der Strategie der SBB. Damit das Thema in der Kultur stärker verankert wird, werden Kader mit grossen Entscheidungskompetenzen bei regelmässigen Frühstücksanlässen auf aktuelle und wichtige Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert. Dadurch soll der strategische Dialog gefördert und die Nachhaltigkeit in Entscheide und operative Arbeiten integriert werden.

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