Vom Perron aufs Pult: Zweites Leben für den Fallblattanzeiger

Sind die Fallblattanzeiger Ende Jahr verschwunden? Nicht ganz: Ein Teil von ihnen lebt als Uhr weiter. Die Geschichte einer auf den ersten Blick skurrilen Idee, die dank dem Engagement von SBB Mitarbeitenden zum Fliegen kam.

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Angefangen hat alles mit der Suche nach einem Geschenk für einen Bähnler. Louis Schorpp kam die zündende Idee am Bahnhof. «Wenn ein Fallblattanzeiger Verbindungen und Zeiten anzeigen kann, dann sollte es möglich sein, die Teile so zu programmieren, dass sie die häufigsten Sätze der beschenkten Person anzeigen». Es war möglich, Tüfteln im Team sei Dank. Zum Kernteam gehören auch Mélanie Berthold und Olivier Wolf. Was die drei verbindet? Eine gesunde Portion Spinnerei, Enthusiasmus, Ideen, Humor – und Jobs, die nichts mit Uhren und Fallblattanzeigern zu tun haben. Mélanie und Louis arbeiten als Projektleitende, Olivier ist Systemarchitekt für Kundeninformationssysteme.

Seit 2017 ersetzt die SBB die Fallblattanzeiger durch neue, digitale Anzeiger. Bis zum Fahrplanwechsel 2021 soll der Wechsel abgeschlossen sein. Für Louis war nach dem ersten erfolgreichen Test, dem Geschenk, klar: «Es wäre schade, die Teile nicht weiter zu verwenden.» Die Idee der Uhr fürs Pult war geboren, doch ohne Moos ist bekanntlich nichts los: Startkapital musste her. Dank der Unterstützung für Innovationsprojekte war die Finanzierung für 400 Uhren gesichert. 400 Franken wird eine Uhr kosten. Bei der Preisgestaltung stand ein Gedanke im Vordergrund: «Das Projekt darf keine Kosten verursachen, insbesondere angesichts der aktuell sehr ernsten finanziellen Lage der SBB. Wir gehen davon aus, dass wir mit dem Verkauf die schwarze Null erreichen», ist Mélanie überzeugt.

Quelle: SBB

Tüfteln bis nicht nur der Kopf raucht

Das Projektteam war nun startklar, das Tüfteln am Prototyp konnte beginnen. Um die Elektronik kümmert sich Olivier. Was das genau mit seinem Job zu tun hat? «Nichts», sagt Olivier mit einem verschmitzten Lächeln. «Ich wollte einfach etwas Neues lernen.» Und so bastelte er Abend für Abend an der Uhr – denn mit einem Versuch war es nicht getan. Elf Versionen brauchte es bis zum Endprodukt. «Hitzeentwicklung, falsche Verbindungen, Signaloptimierungen, Zertifizierungen… Das sind nur ein paar Gründe, warum es so viele Versionen brauchte», erklärt Olivier. Mittlerweile ist die Uhr CE-zertifiziert, um die Qualität und Sicherheit zu attestieren.

Die handwerklichen Arbeiten übernehmen Mitarbeitende von SBB Anyway, dem Recyling-Center Trimbach und Lernende im Werk Yverdon. Die Mitarbeitenden im Recycling-Center Trimbach und von SBB Anyway zerlegen die ausrangierten Fallblattanzeiger und bauen die Teile zur Uhr zusammen. SBB Anyway beschäftigt Mitarbeitende über 50, die ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können.

Andere Arbeiten, wie beispielsweise an der Elektronik übernehmen Lernende im Werk in Yverdon. Die Arbeiten dienen den Lernenden dabei als Übung für ihren Abschluss: «Wir haben die Elektronik so aufgebaut, dass die Lernenden die Uhren zur Vorbereitung auf ihre praktischen Prüfungen nutzen können», erklärt Olivier.

Eins ist klar: In jeder Uhr stecken ein Stück Schweizer Bahngeschichte, liebevolle Handarbeit und vor allem ganz viel Herzblut.

Update 22. Juli 2021

Die Uhren sind auf grosses Interesse gestossen. Die Nachfrage überstieg das Angebot deutlich. Deshalb wurde das Kaufrecht ausgelost. Die Verlosung ist beendet; alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden informiert.

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